Kinderlähmung
Poliomyelitis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
(Weitergeleitet von Kinderlähmung) Die Poliomyelitis, auch seuchenhafte (epidemische) oder spinale Kinderlähmung oder Heine-Medinsche-Erkrankung. Die Krankheit heißt so, weil sie seuchenhaft oder epidemisch auftritt und besonders bei Kindern zu Lähmungen führt, die vom Rückenmark (spinal) herrühren: Es liegt eine Entzündung der grauen Rückenmarksubstanz vor.
Die Kinderlähmung wird auch Heine-Medinische Krankheit genannt (nach dem deutschen Orthopäden J.von Heine und dem schwedischen Kinderarzt K.O. Medin).
Die Kinderlähmung ist eine akute Viruskrankheit, die durch den Befall der Vorderhörner des Rückenmarkes zu schlaffen Muskellähmungen führt. Weltweit erkrankten im Jahr 2008 noch etwa 1800 Menschen neu, die meisten von ihnen sind kleine Kinder unter fünf Jahren.
Ursache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Sie tritt in drei verschiedenen Typen auf. Das Virus ist im Nasen-Rachen-Raum kurz vor und nach dem Ausbruch der Krankheit und im Stuhl vom Beginn der Brütezeit an bis einige Wochen nach Krankheitsbeginn nachweisbar.
Die Übertragung erfolgt durch: Schmier-, Nahrungsmittel-, Tröpfchen- oder Staubinfektion. Infektionsquellen sind kranke Menschen und gesunde Virusträger. Die Empfänglichkeit gegenüber dem Virus ist zwar groß, aber bei vielen Menschen entsteht nur eine stille Feiung (Schutz vor weiterer Infektion).
Besondere Belastungen wie Krankheiten, Operationen oder Überanstrengung erhöhen die Anfälligkeit. Es erkranken vor allem Kinder, hauptsächlich im Sommer und Herbst. Die Eintrittspforte liegt in der Schleimhaut, besonders des Darms. Es entwickelt sich eine akute zyklische Infektionskrankheit, sie gelangt dann auf dem Blutwege ins Zentralnervensystem, wo es hauptsächlich die grauen Vorderhörner des Rückenmarks befällt.
Meldepflicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz besteht bei Verdacht, Krankheit und Tod.
Symptome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Inkubationszeit von ca. 10-14 Tagen.
Bei etwa 95% aller Infizierten verläuft die Erkrankung symptomlos (abortive Verlaufsform). Nur bei etwa 1% der Infizierten tritt die paralytische Verlausform auf.
Fieberhaftes katarrhalisches Vorläuferstadium, auch Initialstadium
Geht mit Schnupfen, Rachen- und Mandelentzündung, Erbrechen, Durchfall, Kopf- und Gliederschmerzen einher.
Es folgt eine fieberfreie Zeit von 1-9 Tagen.
Danach wieder Fieberanstieg, 2-5 Tage dauerndes Vorlähmungsstadium (präparalytische Stadium). Zu dem fieberhaften Katarrh kommt dann noch eine Reizung der Hirnhaut (Nackensteifigkeit, allgemeine Überempfindlichkeit, Neigung zu starkem Schwitzen, allgemeine Muskelschwäche, Reflexabschwächung, ziehende Muskelschmerzen). Oft tritt ein Harnverhalten auf.
Lähmungsstadium
Innerhalb von Stunden oder Tagen treten zunehmend schlaffe Muskellähmungen auf, die in ihrem Ausmaß sehr unterschiedlich sind. Erst wird nur ein Muskel befallen, bald mehrere Gliedmaßen oder der Rumpf. Am häufigsten treten die Lähmungen an den Beinen auf. Ein Befall der motorischen Zentren des verlängerten Rückenmarkts und der Brücke führt zu Hirnnervenlähmungen. Lebensgefährlich ist eine Lähmumng der Atemmuskulatur und eine Schädigung des Atemzentrum.
Mit der Ausbildung der Lähmungen sind auch die Allgemeinsymptome abgeklungen.
In der Regel bilden sich die Lähmungen schon wenige Tage nach ihrem Beginn wieder zurück. Sie können allerdings auch Wochen und Monate andauern und sind unberechenbar. Nach eineinhalb Jahren ist mit Sicherheit nicht mehr mit einer Besserung der Lähmungen zu rechnen. Dann bleiben oft schwere Verkrüppelungen wie Spitzfuß, Klumpfuß, Rückgratverbiegungen oder Schlottergelenke.
Diagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Der Liquor zeigt eine Druckerhöhung und eine Zell- und Eiweißvermehrung.
- Virusnachweis im Rachensekret oder im Stuhl.
- Serologischer Nachweis mit der Komplementbindungsreaktion und dem Neutralisationstest.
Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Ein Heilmittel bei ausgebrochener Krankheit gibt es nicht.
- Körperliche und seelische Ruhigstellung, evtl. mit beruhigenden oder schmerzstillenden * Medikamenten.
- Frühzeitige Gammaglobulinbehandlung.
- Kontrakturprophylaxe.
- Krankengymnastik.
Prophylaxe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Schluckimpfung der ganzen Bevölkerung mit harmlosem Lebendimpfstoff, der mit Wasser geschluckt wird.
- Absonderung der Kranken für min. 4 Wochen und laufende Desinfektion.
Jonas Salk (1914–1995) hatte maßgeblichen Anteil daran, dass der Impfstoff gegen die Kinderlähmung entwickelt wurde. Jedes Jahr an seinem Geburtstag, dem 28. Oktober, ist Weltpoliotag.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Adelheid Müller-Lissner: Kampf gegen Kinderlähmung. In zeit.de – wissen, Nr. 2009-10.
Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Irene Taylor Brodsky (Regie): "The Final Inch" . Der Dokumentarfilm zeigt die Arbeit von Anti-Polio-Impfhelfern in Indien.