Anamnese

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Anamnese (griechisch: „Erinnerung“) bedeutet wörtlich das In-Worte-Fassen von Vergangenem. In der Medizin handelt es sich um die Erhebung der medizinischen Vorgeschichte (Krankengeschichte) und der aktuellen Befindlichkeit eines Patienten durch einen Arzt. Neben Fragen, die der Arzt je nach Symptomen bzw. deren Zugehörigkeit zu einer medizinischen Fachrichtung auf das betroffene Organsystem gewichtet stellt, gehört zu einer Anamnese eine umfassende körperliche Untersuchung.

Bei der Pflegeanamnese handelt es sich hingegen um eine ausführliche strukturierte Datenerhebung zum Pflegebedarf.

Ärztliche Anamnese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den meisten Fällen steht hinter einer Krankheit auch eine Ursache. Jede Erkrankung erzählt dabei eine "Geschichte", die als Krankengeschichte bezeichnet wird. Häufig sind es Beschwerden und Veränderungen, die nicht immer sofort wahrgenommen werden. Bevor der Arzt eine sichere Diagnose stellen kann, muss er möglichst viel über seinen Patienten und seine Krankengeschichte in Erfahrung bringen. Aus diesem Grund ist die Erhebung der Krankengeschichte oder Anamnese die erste und wichtigste Maßnahme, die der Arzt trifft. Ohne eine ausführliche Anamnese sind weitere Untersuchungen nicht sinnvoll. Die Anamnese besteht sowohl aus gezielten Fragen zu verschiedenen Themenbereichen als auch aus allgemeinen körperlichen Untersuchungen. Bei der Befragung des Patienten müssen zahlreiche Punkte berücksichtigt werden:

Fragen zum Umfeld des Patienten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • aktuelle Beschwerden und ihre Entwicklung
  • Zustand der verschiedenen Organsysteme
  • allgemeine Daten
  • wichtige Erkrankungen in der Familie (Familienanamnese)
  • beruflicher und sozialer Hintergrund (Sozialanamnese)

Fragen zu Schmerzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bestehen Schmerzen, wenn ja: Wo?
  • Wann haben die Schmerzen begonnen?
  • Welcher Art sind die Schmerzen (ziehend, drückend, stechend, pochend etc.)?
  • Wie häufig treten die Schmerzen auf?
  • Wie stark sind die Schmerzen?
  • Strahlen sie aus, z. B. in die Beine?
  • Wie lange bestehen die Schmerzen schon?
  • Was verstärkt oder lindert die Schmerzen?
  • Bessern sie sich in bestimmten Körperhaltungen (z. B. beim Vornüberbeugen)?
  • Verstärken sie sich bei Belastung oder durch Husten, Niesen oder Pressen?
  • Bestehen neben den Schmerzen auch andere Störungen wie z.B. Lähmungen oder Taubheitsgefühle?

Fragen zur Muskelschwäche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wurde eine Schwäche in der Muskulatur von Armen, Beinen, Händen oder Füßen bemerkt?
  • Wie stark ist die Schwäche ausgeprägt, ist z.B. das Treppensteigen erschwert?
  • Besteht eine Unsicherheit beim Laufen?
  • Ist das Anheben von Lasten oder das Festhalten von Gegenständen erschwert?
  • Wie lange bestehen diese Beschwerden schon?
  • Haben sie sich im Laufe der Zeit in ihrer Intensität verändert?

Fragen zu Empfindungsstörungen bzw. Missempfindungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sind an der Haut Regionen herabgesetzter Empfindungsfähigkeit aufgefallen?
  • Bestehen Missempfindungen, z.B. das Gefühl des "Ameisenlaufens" auf der Haut?
  • Seit wann werden Empfindungsstörungen/Missempfindungen bemerkt?
  • Haben die Störungen im Laufe der Zeit zu- oder abgenommen?

Fragen zu Blasen-, Darm- und Sexualfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Können Blase und Darm normal kontrolliert und entleert werden oder besteht eine Inkontinenz?
  • Bestehen Schwierigkeiten, Blase oder Darm vollständig zu entleeren?
  • Sind Potenzstörungen aufgetreten?
  • Seit wann bestehen Beschwerden?
  • Haben sie sich verstärkt oder gebessert?
  • Ist die Verdauung ungestört oder kommt es häufig zu Durchfall oder Verstopfungen?
  • Wurde schon einmal Blut im Stuhl bemerkt?
  • Hat der Stuhl eine normale Farbe und eine normale Konsistenz?
  • Ist eine Magenschleimhautentzündung oder ein Magen- bzw. Zwölffingerdarmgeschwür bekannt?
  • Tritt häufig Sodbrennen auf?
  • War das Gewicht in den letzten Monaten stabil?
  • Sind Nierenerkrankungen bekannt?
  • Sind schon einmal Blasenentzündungen aufgetreten?
  • Hat der Urin eine normale Farbe oder wird z. B. Blut bemerkt?

Fragen zum Herz-Kreislauf-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Besteht ein erhöhter oder erniedrigter Blutdruck?
  • Liegen Herzerkrankungen vor?
  • Bestehen oder bestanden Erkrankungen der Arterien?
  • Ist schon einmal ein Schlaganfall aufgetreten?
  • Sind Erkrankungen der Venen bekannt?

Fragen zur Atemwegsfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tritt bei körperlicher Belastung Atemnot auf?
  • Ist die Atmung in Ruhe beeinträchtigt?
  • Sind Lungenerkrankungen bekannt wie z.B. Lungenentzündung, Bronchitis, Asthma, etc.?
  • Bestehen Allergien, z.B. Heuschnupfen?
  • Hatten sie starke Gewichtsveränderungen in den letzten Monaten?
  • Haben sie Husten?
  • Haben sie Auswurf? Wie oft? Wie viel? Welche Farbe?
  • Raucher?

Fragen zum Stoffwechsel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Liegt ein Diabetes mellitus vor?
  • Sind die Blutfette erhöht?
  • Ist eine Erhöhung der Harnsäurewerte bzw. eine Gicht bekannt?
  • Liegen andere, seltenere Stoffwechselerkrankungen vor?

Fragen zu verwendeten Medikamenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Welche Medikamente werden gerade eingenommen?
  • Werden frei verkäufliche Medikamente wie z.B. Abführmittel, Schmerzmittel, etc. eingenommen?
  • In welcher Dosierung werden diese Medikamente genommen?
  • Sind Nebenwirkungen aufgetreten?

Körperliche Untersuchungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erfassen der Körpergröße und des Gewichtes
  • Blutdruckmessung
  • ggf. Messung der Körpertemperatur und des Blutzuckers
  • Laboruntersuchung von Blut, Urin und ggf. Stuhl
  • Abhorchen von Herz und Lunge
  • Abtasten von Abdomen und ggf. Gliedmaßen
  • Kontrolle der Reflexe
  • ggf. EKG in Ruhe und unter Belastung
  • ggf. Digital rektale Untersuchung (Tastuntersuchung des Enddarmes)

Krankengeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Krankengeschichte oder auch Patientenakte ist die Bezeichnung für die bisher erhobenen Daten des betreffenden Patienten, die anhand verschiedener Unterlagen und fortlaufender Notizen dokumentiert wurde. Sie wird zur Ergänzung der aktuellen Anamnese herangezogen.

Diese Akte kann auch Hinweise auf Unterlagen enthalten, die andernorts, wie im Labor oder in der Röntgenabteilung, aufbewahrt werden. Es gehören dazu: Diagnosen und Verdachtsdiagnosen, Arzneimittelverordnungen, Röntgenbilder, Operationsberichte, Kopien der Arztbriefe/Überweisungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Pflegeanamnese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es handelt sich bei der Pflegeanamnese in der Regel um eine ausführliche, strukturierte Datenerhebung oder um eine Checkliste. Der Inhalt ist abhängig von der Pflegeeinrichtung, für die jeweils Daten erhoben werden. In Akutpflegeeinrichtungen beziehen sich die Daten meist auf relevante physiologische Besonderheiten und Lebensaktivitäten, während in der Langzeitpflege und in der psychiatrischen Betreuung die biografische Erhebung bevorzugt wird.

Sie ist Voraussetzung für "die Realisierung des Pflegeprozesses und dient dazu, das Fundament für eine optimale Pflegeplanung und Pflegepraxis zu legen. Alle folgenden Schritte im Pflegeprozess sowie die Qualität der Pflege insgesamt hängen von der Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit der Situationseinschätzung ab." (Stefan u. Allmer, 1999).

Rechtliche Grundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Musterberufsordnung der deutschen Ärzteschaft[1] (Vorlage der in der Regel textgleichen, bindenden Landesberufsordnungen für Ärzte) legt im § 10 den Umfang der Dokumentationspflicht, die Aufbewahrungsfrist, und die Pflicht, dem Patienten Einsicht zu gewähren, fest.

Durch die Krankenhaus-Verordnung ist in den §§ 35-41 eine zehnjährige Aufbewahrungspflicht geregelt.[2]

Im Bundesland Berlin definierte die ehemalige Krankengeschichtenverordnung den Mindestinhalt einer Krankengeschichte.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Margareta Halek: Wie misst man Pflegebedürftigkeit? Schlütersche, 2003. ISBN 3-87706-735-2
  • G. Müller: Die Fragen des Arztes an den Kranken (Diss. med, Kiel, 1967)
  • Böhm K., Köhler C. O., Thomé R.: Historie der Krankengeschichte

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=2.49.1758
  2. Verordnung über Errichtung und Betrieb von Krankenhäusern,Krankenhausaufnahme, Führung von Krankengeschichten und Pflegedokumentationen und Katastrophenschutz in Krankenhäusern (Krankenhaus-Verordnung – KhsVO; vgl. www.kulturbuch-verlag.de/online/brv/D0008/F00362.pdf)