Kompromiss
Ein Kompromiss ist die Lösung eines Konfliktes durch freiwillige Übereinkunft der Beteiligten des Konflikts unter gegenseitigem Nachgeben.
Begriffsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der schon bei Cicero belegte Begriff "compromissum" stammt aus der lateinischen Rechtssprache und bedeutete dort, dass die streitenden Parteien gemeinsam versprechen (com-promittunt), sich dem Schiedsspruch eines zuvor als Schiedsrichter angerufenen Dritten zu unterwerfen. Eine Partei, die den Schiedsspruch nachher nicht anerkennt, verliert eine zuvor hinterlegte Pfandsumme Geldes.[1]
Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein Kompromiss kann geschlossen werden, wenn keine der beiden Seiten genug Kraft besitzt, um die eigenen Ziele konsequent und vollständig zu verfolgen oder wenn das vollständige Durchsetzen der Interessen einer Seite keine dauerhafte Lösung darstellt, also zu befürchten ist, dass die Lösung immer wieder in Frage gestellt wird und somit nicht stabil ist, oder nur unter sehr hohen Kosten für den Gewinner aufrechterhalten werden kann.
Darüber hinaus kann ein Kompromiss das Ergebnis einer Situation sein, in der zwar eine Seite sich vollständig durchsetzen und dieses Ergebnis auch aufrechterhalten könnte, jedoch neben dem Ziel, auf das sich der Kompromiss bezieht, weitere konfliktträchtige Ziele bestehen. Ein Beispiel: Land A will 1. politische Herrschaft und 2. finanzielle Mittel. Selbst wenn Land A in der Lage ist, Land B vollständig und gegebenenfalls auch dauerhaft zu beherrschen, könnte dies zu geringerer Zufriedenheit und damit geringerer Produktivität in Land B führen, was verminderte Steuereinnahmen aus dem beherrschten Land B zur Folge hätte. (Abwägen der Opportunitätskosten)
Neben finanziellen Aspekten können auch nicht-finanzielle Faktoren eine Rolle spielen. Z.B. können beim Abschließen eines Kompromisses beide Seiten das Gefühl haben, ihr Gesicht gegenüber dem Kontrahenten oder Dritten zu wahren.
Rechtsprechung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bei gerichtlichen Verfahren schließen die Streitparteien häufig einen Kompromiss in Form eines Vergleiches. Dieser kann aus direkten Verhandlungen der Kontrahenten resultieren oder vom Gericht vorgeschlagen werden. In diesem Fall ist der Kompromiss Ergebnis der Unsicherheit über den Ausgang des Konflikts. Der Kompromiss soll also die Eskalation des Konflikts verhindern, da die möglichen Kosten einer Niederlage höher bewertet werden als die Nachteile, die durch den Kompromiss entstehen.
Wirtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind ein alljährliches Beispiel für einen Kompromiss: Die am Ende vereinbarten Lohnerhöhungen liegen meist zwischen dem, was die Gewerkschaft anfangs forderte und dem, was die Arbeitgeber anfangs anboten.
Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In demokratischen Staaten werden häufig Kompromisse zwischen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern geschlossen, wobei es z.B. um die Erkämpfung oder Sicherung erreichter sozialer Standards (etwa das Existenzminimum) oder um unternehmerische Interessen (zum Beispiel Profite) geht.
Lösungsansätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nicht immer müssen die streitenden Parteien Forderungen aufgeben, um einen Kompromiss zu erzielen. Eine spezielle Form des Kompromisses ist die Win-Win-Lösung oder der Konsens, bei der beide Konfliktparteien bekommen, was sie wollen und bei der für beide ein gemeinsames Ziel und die gegenseitige Akzeptanz, Anerkennung und Wertschätzung in der Beziehung zueinander im Vordergrund stehen. Das Auffinden einer Win-Win-Lösung erleichtert die Kompromiss-Lösung sehr. Gleichwohl sind auch dann in der Regel noch Einigungen zu finden (Beispiel: ein Betrieb bietet seinem Nachbarbetrieb an, zusammen eine Anlage zu kaufen. Das spart 20.000 Euro. Wenn beide in gleicher Situation sind, bietet es sich an, die Ersparnis hälftig zu teilen. Verschiedenste Gründe können aber dazu führen, dass etwas anderes als hälftige Teilung vereinbart wird. Hier liegt ein sog. Nullsummenspiel vor: wenn einer der beiden einen Euro mehr bekommt, bekommt der andere automatisch einen Euro weniger.
Ein "Formelkompromiss" ist eine Übereinkunft darüber, dass jede der streitenden Parteien in der Formel ihre Sicht der Dinge oder ihre Interessen untergebracht hat. Der Konflikt bleibt ungelöst, ohne dass einer der Parteien oder beide als Verlierer gelten können. Formelkompromisse haben manchmal den Sinn, eine echte Einigung auf später zu verschieben (dilatorischer Formelkompromiss) oder die Entscheidung an jene Institutionen zu delegieren, die für die Auslegung und Anwendung der Übereinkunft verantwortlich sind (delegierender Formelkompromiss). So einigen sich die Parteien im Parlament nicht selten auf ein Gesetz, das einen Formelkompromiss statt einer eindeutigen Regelung enthält. Beruft sich in einem Rechtsstreit eine Partei auf dieses Gesetz, muss die Rechtsprechung im Wege der Auslegung der Formel entscheiden, was der Gesetzgeber vermutlich für den jeweiligen Einzelfall gewollt hat. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge etc. (ABl EG Nr. L 304/12 v. 30. September 2004) und das dazu ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 − Rechtssache C-465/07 – (Elgafaji), ABl EU Nr. C 90/4 v. 18. April 2009
Unterschiedliche sprachliche Konnotation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Je nach kulturellem oder sprachlichem Hintergrund kann die Bedeutung des Wortes „Kompromiss“ und die Erwartungshaltung dazu verschieden sein. In England, Irland und den Commonwealth-Staaten bedeutet das Wort „compromise“ etwas Gutes: man betrachtet eine Übereinkunft, einen Kompromiss, als etwas Positives, das beiden Seiten zugute kommt. In den USA dagegen versteht man unter diesem Begriff eine Lösung, bei der beide Seiten verlieren. (Siehe interkulturelle Kompetenz).
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
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