Aktivierende Pflege

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Aktivierende Pflege ist ein Pflegestil, der die (noch) vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen einer Person bei der Durchführung einzelner Pflegemaßnahmen miteinbezieht. Dieser Pflegestil soll - im Gegensatz zur kompensatorischen Pflege - Hilfe zur Selbsthilfe bieten und verhindern, dass Fähigkeiten wegen fehlender körperlicher und geistiger Übung weiter abnehmen. Im Idealfall können dadurch sogar verlorengegangene Fähigkeiten wiedererlangt werden.

Bei der aktivierenden Pflege beaufsichtigt eine professionelle Pflegeperson die zu pflegende Person sozusagen "mit den Händen in den Hosentaschen" und leitet sie bei den nötigen Verrichtungen an. Dabei wird eine gewisse Anstrengung des Patienten oder Bewohners in Kauf genommen. Voraussetzung für aktivierende Pflege ist (neben individueller Pflegeplanung und angemessenen organisatorischen Bedingungen) das Verständnis von Anleitung bei der betroffenen Person.

Aktivierende Pflege ist anerkannter Grundsatz professioneller Pflege in Deutschland und wird im Krankenpflegegesetz, Heimgesetz und Pflegeversicherungsgesetz als bekannt vorausgesetzt.[1] Viele Pflegeeinrichtungen verwenden den Begriff wegen seiner positiven Assozationen in ihrem Leitbild.

Aktivierende Pflege darf als Pflegefachbegriff nicht mit dem neurologischen Fachwort Aktivierung verwechselt werden.

Entstehung des Begriffes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1980er Jahren entwickelte Monika Krohwinkel den Begriff der aktivierenden Pflege im Zusammenhang mit der Pflege von Schlaganfall-Patienten. Das Ziel dabei war, die Abhängigkeit des Pflegebedürftigen zu verringern und sein Selbstvertrauen zu stärken.

Grundhaltung bei der aktivierenden Pflege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Mit den Händen in den Hosentaschen" arbeiten ist eine im übertragenen Sinn gemeinte Zusammenfassung der erforderlichen Haltung bei der aktivierenden Pflege, die sehr oft zu deren Beschreibung verwendet wird. Empathie und, wo erforderlich, Validation sind damit sicherlich eingeschlossen. Aktivierend bedeutet dabei, das Augenmerk auf die vorhandenen, vielleicht verdeckten oder vernachlässigten "gesunden" Anteile der gepflegten Person zu richten. Pflegende achten darauf, nicht "automatisch" alle Handgriffe zu übernehmen. Eine aktivierende Grundhaltung stellt herkömmliche fürsorgliche Verhaltensmuster professioneller Pflege in Frage. Die kranke oder behinderte Person wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten einbezogen. Dieses Vorgehen und Motivieren kostet mehr Zeit und Geduld als die vollständige Übernahme einer Tätigkeit.

Patienten, Bewohner oder Angehörige, die von professioneller Pflege überwiegend komplette Versorgung und vorausschauende Übernahme aller Tätigkeiten erwarten, können die Vorzüge der aktivierenden Pflege eventuell nicht sofort erkennen und zunächst verständnislos reagieren. Daher sollte vor Aufnahme der Pflegetätigkeit über das Konzept informiert und die Pflege gemeinsam geplant werden.

Umsetzung in die Praxis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pflegeplanung: Die Ressourcen werden erfasst (z.B. "Wunsch des Bewohners, möglichst unabhängig zu sein"; "möchte eine Mahlzeit wieder selbstständig einnehmen können"), gleichzeitig muss aber der Unterstützungsbedarf im Sinne von "Anleitung", "Vorbereitung" oder "Beaufsichtigung erforderlich" erwähnt werden, sonst wird der zeitintensive Aspekt der Aktivierung bei der Pflegebegutachtung nicht berücksichtigt.
  • Das Pflegeziel ist die "Erhaltung" oder "Wiederherstellung" der "Selbstpflegefähigkeit" für den jeweiligen Bereich der ATL. Der Begriff Selbstpflegefähigkeit kann dann durch die jeweils angestrebte Tätigkeit ersetzt werden (z.B. "kann sich komplett selbst ankleiden").
  • Die Maßnahmen dürfen den Bewohner nicht über- oder unterfordern. Jeder einzelne Pflegeschritt muss dem Bewohner vorher mitgeteilt werden, damit er sich darauf einstellen und seine Fähigkeiten in seinem Tempo und auf seine Art einbringen kann.

Zitate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rainer Frühsammer schreibt:

Für mich war und ist auch heute vielmals die schwierigste Aufgabe, den Bewohner so zu motivieren, dass es für ihn erkennbar - welchen Sinn, Zweck und wie wertvoll seine aktive Mitarbeit – ist. Die Vorteile einer individuellen Gesprächsführung sind mir in der Theorie bekannt. Hierzu gehört auch das Vermitteln von Erfolgserlebnissen, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Ihm in verständlichen Schritten, die Maßnahme durch Anleiten, Führen und Beraten näherzubringen.[2]

Steffen Rossa betont den vermiedenen Mißerfolg:

Kompensatorische Pflege führt oft zu anhaltender, oft sogar anwachsender Pflegebedürftigkeit mit steigendem Pflegeaufwand.[3]

Juchli:

alte Menschen sind in ihrer vertrauten Umgebung wieder lebensfähig[4]

J. Pichler:

Aktivierende Pflege ist ein Muss für alle Formen der Pflege - im Krankenhaus, Pflegeheim oder ambulant zu Hause. Es geht darum, den Pflegebedürftigen entsprechend seiner vorhandenen Fähigkeiten zu pflegen. Er wird nur dort unterstützt, wo er unbedingt Hilfe braucht und lernt, manche Defizite zu überwinden oder auszugleichen. [5]

Leitbild Theodor Fliedner Krankenhaus, Mülheim an der Ruhr

Eine zentrale Rolle in der Behandlung nimmt das Prinzip der aktivierenden Pflege ein. Verstanden als „Hilfe zur Selbsthilfe“ wird hier besonderer Wert auf den Erhalt von lebenspraktischen Fähigkeiten gelegt.

Therapeutische Pflege in der Geriatrie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie will nach einer Definition des Bundesverbandes Geriatrie e.V. von 2009 Menschen mit (Früh-)Rehabilitationsbedarf oder allgemein mit Unterstützungs- und Pflegebedarf das (Wieder-)Erlangen und Erhalten von Alltagskompetenzen ermöglichen. Damit setze sich diese Versorgung deutlich von der normalen Grund- und Behandlungspflege (Versorgungspflege) ab. „Ziel der Aktivierend-therapeutischen Pflege ist es, die individuell optimal erreichbare Mobilität, Selbstständigkeit und Teilhabe in der Form, wie diese vor der aktuellen Verschlechterung bestanden haben, wieder zu erreichen.“ (Dr. Lüttje)[6]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Liliane Juchli: Pflege. 1994 - 7. Auflage, Seiten 49f, 684-687, S. 692 Tabelle 23.2 Gegenüberstellung von behütendem zu aktivierend-therapeutischem Pflegestil (dort sehr stark im Sinne einer Rehabilitation; Pflegelehrbuch)
  • Ilka Köther, Else Gnamm (Hrsg.): Thiemes Altenpflege. 2. Auflage 2005. Im Abschnitt "Verfügbarhalten der menschlichen Kompetenzen." Seiten 123-126. ISBN 978-3-13-139132-2 (Pflegelehrbuch)
  • Cornelia Michalke: Der Begriff 'aktivierende Pflege' in der ambulanten und stationären Altenhilfe. 1993, ISBN 978-3-638-32254-6
  • Engelbert Sittler, Marianne Kruft: Handbuch Altenpflege, S. 14, 261. Elsevier, 2004. ISBN 3-437-47250-X (Pflegelehrbuch)
  • Dieter Sperl: Qualitätssicherung in der Pflege: Validierte Pflege im Krankenhaus unter besonderer Berücksichtigung der Intensivpflege. Schlütersche, 1996. ISBN 3-87706-472-8

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sperl kritisiert allerdings bereits 1996 die im PVG vorgesehene Triage auf 5% der höchstgradigen Versichertenleistungen. (S. 136)
  2. Bei altenpflegeschueler.de
  3. Steffen Rossa
  4. Juchli,Pflege, 1994, S. 692
  5. Pichler im Pflege-Glossar
  6. Aktivierend-therapeutische Pflege: Eine Herausforderung für die Geriatrie. BV Ger vom 25.05.2009

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]