Beobachtung

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Begriffsbestimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter der wissenschaftlichen Beobachtung versteht man die direkte Beobachtung menschlicher Handlungen, sprachlicher Äußerungen, nonverbaler Reaktionen (Mimik, Gestik, Körpersprache) und anderer sozialer Merkmale (Kleidung, Symbole und Gebräuche).

Beobachtung in der Pflege bedeutet eine gezielte Aufnahme von Informationen. Anhand dieses Vorgehens lassen sich Rückschlüsse ziehen die zu adäquatem Handeln führen. Beobachtung kann folgende Zwecke erfüllen:
Abschätzen von Bedürfnissen und Veränderungen im Zustand des Klienten
Hilfe zur Diagnosestellung und anschließender Therapie sowie zur Pflegeplanung. Beobachtung unterliegt persönlichen Einflußfaktoren, ebenso verschiedensten Umwelteinflüssen.

Damit Beobachtung aus pflegerischer Sicht objektiven Kriterien genügt müssen folgende Punkte beachtet werden:

  • Beobachtung muss objektiv dokumentiert werden
  • Situationen sammeln, die mit dem kritischen (beobachteten) Verhalten in Zusammenhang stehen
  • Verhalten der Kontaktpersonen sollte einbezogen werden

Ziele der Beobachtung: - Individuelle Situationen erkennen und evtl. Pflege- oder Beratungsbedarf ermitteln - Selbstpflegefähigkeit bzw. Pflegebedürftigkeit einschätzen und Pflegemaßnahmen entsprechend planen - Veränderungen am betroffenen Menschen feststellen und objektivieren - Durchgeführte Pflegemaßnahmen evaluieren - Den Patienten und den Therapieerfolg überwachen - Drohende Gefahren und Komplikationen frühzeitig erkennen bzw. verhüten - Wünsche und Bedürfnisse eines Menschen erfassen

Nachteile der Beobachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Beobachtung ist sozial nicht erwünscht, weil es eine Form der Überwachung ist. Man dringt in die Privatssphäre ein. ("Was guckst du?")
  • Beobachtung kann nur subjektiv wahrgenommen werden, da der Beobachter in seiner eigenen Wirklichkeit lebt.
  • Vorwissen, Vorerfahrungen und Vorurteile leiten die Interpretation des beobachteten (Übersehen von Alltäglichkeiten bei vertrauter Umgebung; Pygmalion-Effekt).
  • Beeinflussung des Felds, besonders bei kurzen Beobachtungssequenzen, da die Beobachteten sich in ihrem natürlichen Umfeld gestört fühlen (soziale Wünschbarkeit und Hawthorne-Effekt)
  • möglicher Rollenkonflikt bei teilnehmender Beobachtung: einerseits soziales Engagement (Rolle als Pfleger), andererseits soll Distanz gewahrt werden um die Situation nicht zu verfälschen (Gefahr zum Aussenseiter zu werden)
  • je komplexer die Wirklichkeit, desto mehr Details können nicht wahrgenommen werden

Beobachtung als Methode der Wahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • eignet sich vor allem bei Fragestellungen, die auf optisch und ggt. Akustisch wahrnehmbare Verhaltens- und Handlungsweisen oder soziale Interaktion von Personen oder Gruppen fokussieren
  • vor allem, bei nicht reflektierten, schwer in Worte fassbaren Alltagsroutinen und Gewohnheiten
  • bei Fragen, die eine von der Zielgruppe ungefilterte Datenerhebung im möglichst natürlichen, gegenwärtigen (nicht pro-, retrospektivem) Feld erforschen
  • eignet sich – je nach Interesse an der Komplexität des Geschehens – bei qualitativen und quantitativen Fragestellungen, z.B.
„Wie verhalten sich großgewachsene Menschen in einer Gruppe Kleinwüchsiger?“ (qualitativ)
Oder „ Welcher Zusammenhang besteht zwischen Falschaussagen von Menschen und ihrer Blinzelhäufigkeit“ (quantitativ)

Methodologische Bedingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Haltung großer Offenheit: dadurch können Beobachtung, Äußerungen etc. wahrgenommen werden, die weitere und tiefergehende Erkenntnisse zulassen
  • explorative Erforschung des Feldes steht im Vordergrund
  • Hypothesen und Vorabannahmen sind nicht zu verwerfen. Der Forscher muss es aber leisten, trotz gedanklicher Vorstrukturierungen flexiebel und offen zu bleiben
  • Hypothesengenerierendes Vorgehen: der Forscher bleibt offen für alle Entwicklungen
  • Toleranz und Akzeptanz sind Anforderungen an die Persönlichkeit des Forschers, damit er sich offen auf das Feld einlassen kann.
  • Naturalistizität: Anpassung an das Umfeld => in das natürliche Umfeld keine künstliche Faktoren einbringen (zB im Anzug in die Anwaltskanzlei und nicht in Birkenstocks)
  • man kann sich Vertrauenspersonen des sozialen Felds bedienen, um im Feld möglichst authentisch zu bleiben

Phasen der Beobachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • beschreibende Phase: zu Beginn möglichst breit angelegt, viele manigfaltige Daten zusammentragen und analysieren
  • später wird der Blick immer genauer auf den Forschungsgegenstand gerichtet. Nur noch ausgewählte Aspekte werden genauer untersucht (selektive Beobachtung)

Formen der Beobachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

strukturierte und unstrukturierte Beobachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der strukturierten Beobachtung arbeitet man mit einem vorab festgelegten theoretischen Beobachtungsschema und fixierten Beobachtungskategorien die als Raster auf das zu beobachtende Verhalten angelegt werden (Schiedsrichter) Es dient der Reduzierung der Subjektivität, ist gezielt und geplant.

Die freie unstrukturierte Beobachtung ist ungeplant, ungerichtet, subjektiv, ergebnisoffen, situationsbedingt und dient der Gewinnung eines Gesamteindruckes. Sie kann zur Problemlösung führen, trägt zur Hypothesenbildung bei und ist offen für Entwicklungen im Feld

Teilnehmende und nicht-teilnehmende Beobachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Teilnehmende Beobachtung (vgl. Ethnografie) ist der Beobachter in das Geschehen involviert (Bsp Kaufhausdetektiv). Weil die teilnehmende Beobachtung interpretativ ist, ist sie auch meist unstrukturiert.

  • Konflikt: der Beobachter ist ein Mensch mit Gefühlen und Vorerfahrungen, will aber trotzdem objektiv beobachten. Die Komplexität des Feldes sorgt dafür dass der Forscher immer nur einen Teil der Wirklichkeit wahrnehmen kann.
  • oberflächliche Form der Beobachtung, da teilweise Selbstbeobachtung
  • Der Schwerpunkt liegt auf Beobachtung
  • Ziele:
    • Beobachtung der Teilnehmer in ihrer natürlichen Umgebung
    • Eine detaillierte Beschreibung des Umfelds erhalten (wobei sich hier die Frage stellt ob eine Vollständigkeit und Objektivität überhaupt möglich ist)
    • Das Bild der Welt aus Sicht des Beobachteten machen
    • Absicherung der Information des Informaten (Validierung und Absicherung)

Wichtig ist, dass die Situation durch die Anwesenheit des Beobachters möglichst wenig beeinflusst wird

  • Vorraussetzungen des Beobachters:
    • Sensibilität in Bezug auf Gestik und Mimik
    • gute Kontaktfähigkeit um Gesellschaft objektiv betrachten zu können
    • man muss die Erwartungen an die Rolle (die man einnimmt) erfüllen => daher sollte man eher eine kleine Rolle übernehmen
    • Balanceakt zwischen Engagement / Solidarität und kritischer / reflektierter Vorgehensweise
    • man ist gleichzeitig involviert und distanziert
    • der Beobachter ist sein eigenes Forschungsinstrument

Unterteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man unterscheidet in der teilnehmenden Beobachtung vier Typen

  1. uneingeschränkte Teilnahme: man ist Gruppenmitglied und die Rolle als Beobachter wird versteckt
    • Nachteile: Grad der Geheimhaltung lässt sich selten rechtfertigen,
      • ethisch fraglich (informed consent),
      • völlige Identifikation mit dem Feld (= "going native")
      • parallel können keine Notizen gemacht werden
      • die Rolle des Forschers verstecken kann gleichzeitig die Fähigkeiten des Forschers negativ beeinflussen (bestimmte Methoden können nicht angewandt werden; going native)
  2. Teilnehmer als Beobachter: Beobachter ist primärer Teilnehmer. Alle sind sich der doppelten Rolle des Forschers bewusst. Die zeitlichen Aspekte (wann Beobachtung / wann Teilnahme) werden vorher vereinbart. Diese Form ist geeignet, wenn das Phänomen nicht ständig beobachtet werden muss
    • Nachteile: Rollenkonflikt, Gefahr des going native
  3. beobachtende Teilnahme: der Schwerpunkt liegt auf Beobachtung, die Beteiligung an der Arbeit (im Feld) ist gering
    • Vorteil: größere Freiheit und weniger Konflikte;
      • Glaubwürdigkeit kann hergestellt werden;
      • geringere Gefahr des going native
    • Nachteil: der Forscher kann zum Aussenseiter degradiert werden
      • durch die fehlende Identifikation mit dem Feld kann das Verstehen erschwert werden, da der Kontakt mit Gruppenmitgliedern oberflächlich und schwach sein kann => der Beobachter missversteht evtl. die Probanden
  4. Nicht-Teilnehmende Beobachtung: am Geschehen nicht teilnehmen, man bleibt passiv (Bsp: im Park die Leute beobachten)
    • Der Beobachter "fällt auf", weil er sich "anders verhält" - dadurch, dass er nicht teilnimmt
    • Vorteile:
      • man kann sich ganz auf die Beobachtung konzentrieren (Notizen in Ruhe machen)
      • keine Ablenkung durch (eigens) Tun/Handeln
      • Situation wird nicht beeinflusst (Hoffnung)
      • kein Rollenkonflikt Teilnehmer/Beobachter
    • Nachteil: Gefahr, die Situation zu verfälschen, weil Personen beobachtet werden (sozial nicht erwünscht)
      • Der Beobachter "fällt auf", weil er sich "anders verhält" - dadurch, dass er nicht teilnimmt

Offene und verdeckte Beobachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der offenen Beobachtung tritt der Forscher als solcher auf. Das Umfeld kennt mindestens den Zweck der Anwesenheit, was aber nicht heisst, dass die Beobachteten wissen welche Studienziele verfolgt werden.

Vorteile:

  • Einsatz von Aufzeichnungsgeräten leicht möglich
  • Forscher ist authentischer

Nachteile:

  • möglicher Rollenkonflikt (gleichzeitig Forscher und Partner im Feld)

Bei der verdeckten Beobachtung gibt der Forscher seine Identität (als Forscher) nicht bekannt. Diese Form wird häufig im investigativen Journalismus (vgl. Markus Breitscheidel) aber selten in der Sozialforschung verwendet. Die Absicht ist, das Feld möglichst nicht zu beeinflussen.

Vorteile:

  • Strukturen aufdecken in Kulturen mit großer Skepsis
  • keine Beeinflussung des Feldes (z.B. Kaufhausdetektiv)

Nachteile:

  • Täuschungsversuch enthalten
  • Aufdeckung kann zum Ausschluss führen
  • Gefühl des Unbehagens und schlechten Gewissens
  • mögliche ethische Bedenken (kein informed consent)

Andere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Selbstbeobachtung: Hilfe zur Objektivierung von Motiven, Gefühlen und Stimmungen, somit lassen sich Erlebnisse erfassen, Beobachter und Ziel sind identisch
  • Fremdbeobachtung: Beobachter ist vom Ziel getrennt,
    • Beobachtung von Mimik, Gestik, Sozial- und Sprachverhalten.

Feldforschung vs Laboruntersuchung: Beobachtung einer natürlichen oder künstlichen Situation

Beobachtungsfehler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • die Vorstellung (Vorwissen) kann die Beobachtung verfälschen (Selektion, Akzentuierung, Pygmalion-Effekt)
  • Wertung und Beobachtung können sich vermischen
  • zu frühe Abstraktion - zu frühe Wertung
  • mit zunehmender Vertrautheit der zu beobachtenden Ereignisse nimmt die Aufmerksamkeit - und damit die Zuverlässigkeit der Beobachtung - ab.

Beobachtungsschema[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entspricht dem Fragebogen bei einer Befragung, enthält Anweisungen, wie und was zu beobachten ist und was zu dokumentieren ist. Das Ausmaß richtet sich nach der Präzision der Fragestellung. Das Schema kann beinhalten, Situationen, Handlungen, Interaktionen, auf die geachtet werden soll.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Zielke-Nadkarni, A. (2005): "Das Kompetenzentwicklungsmodell nach Benner als Grundlage von Wahrnehmungs- und Beobachtungsschulung", in: Unterricht Pflege 5/2005, S.2-5
  • Roß, C. (2005): "Beobachtung in der Pflege am Beispiel eines Kindes mit Neurodermitis", in: Unterricht Pflege 5/2005, S.6-13
  • Roß, C. (2005): "Fallsituation zur Beobachtung von Kopfschmerz", in: Unterricht Pflege 5/2005, S.22-26
  • Sander, K.; Schneider, K. (2005): "Wahrnehmen, beobachten, handeln - Unterrichtskonzept und Lernsituation", in: Unterricht Pflege 5/2005, S.27-30
  • Stumpf-Parketny, T.; Tünte, A. (2005): "Wahrnehmen, beobachten, handeln in der Pflege von Menschen mit Schmerzen", in: Unterricht Pflege 5/2005, S.43-50