Zöliakie

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Die Zöliakie (Syn.: einheimische Sprue, glutensensitive Enteropathie) ist eine chronische Malabsorption (gestörte Nährstoffaufnahme im Darm) aufgrund einer Glutenunverträglichkeit. Die Unverträglichkeit gründet in Antikörpern gegen Gliadin (bildet zusammen mit Glutelin das Gluten). Diese Überempfindlichkeit führt zu einer Veränderung der Schleimhaut des Dünndarms. Die Zotten atrophieren und die Krypten vertiefen sich. Die Zöliakie manifestiert sich meist im Kindesalter, wobei Mädchen häufiger betroffen sind.

Epidemiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Häufigkeit der Erkrankung schwankt in verschiedenen Ländern teilweise erheblich. Außerdem unterscheiden sich die Häufigkeitsangaben danach, ob die Diagnose erst aufgrund von klinischen Symptomen oder schon aufgrund eines Suchtests im Serum gestellt wird. Unter Berücksichtigung nur der symptomatischen Fälle reicht die Häufigkeit (Prävalenz) von 1:10.000 in Dänemark und den USA bis zu 1:300 in Schweden und Großbritannien. Weltweit wird eine durchschnittliche Häufigkeit von etwa 1:3350 angegeben. Zieht man auch die durch Screeninguntersuchungen diagnostizierten Fälle hinzu, erhöht sich die Prävalenz auf 1:500 in Deutschland und Dänemark und etwa 1:110 in den USA und Großbritannien, im weltweiten Durchschnitt ungefähr 1:270[1]. Steigende Erkrankungszahlen in Schweden bei gleichzeitig konstant bleibender Häufigkeit im genetisch verwandten Norddänemark werden auf eine in Schweden übliche frühe Zufütterung von getreidehaltiger Beikost zurückgeführt[1]. Allzu frühes Zufüttern scheint das Risiko für eine Zöliakie zu erhöhen[2]. Menschen mit einem Down-Syndrom (Trisomie 21) bekommen sie etwas häufiger als Menschen ohne diese chromosomale Besonderheit.

Ätiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pathogenese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inzwischen ist eine Reihe von schädigenden Abschnitten des Klebereiweißes genau identifiziert worden. Sie gehören alle der alkohollöslichen Fraktion an (sogenannte Prolamine), werden Gliadin genannt und enthalten als Aminosäuren besonders viel Prolin und Glutamin. Bei entsprechend veranlagten Menschen führen diese Eiweißabschnitte (Peptide, Ketten aus 50-100 Aminosäuren) zu einer komplexen Reaktion der Darmschleimhaut und des Immunsystems. Schleimhautzellen des Dünndarmes (Enterozyten) produzieren vermehrt verschiedene HLA-Klassen (HLA I, DR und DQ). Bestimmte Abschnitte des Klebereiweißes (Gliadinpeptide) binden an den vermehrt gebildeten HLA-DQ2-Antigenen. Diese Bindung wird dadurch verstärkt, dass aus der zahlreich im Peptid vorhandenen Aminosäure Glutamin Glutaminsäure gebildet wird. Diese Glutaminsäurebildung wird durch das Enzym Gewebstransglutaminase vermittelt. Mit dieser Veränderung passt der entsprechende Abschnitt des Gliadin besser in die „Taschen“ der HLA-Proteine. Der Komplex aus Gliadinpeptid und HLA-DQ2-Antigen wiederum bindet an spezielle Lymphozyten (CD4+-T-Helferzellen) und ruft in diesen eine vermehrte Produktion von verschiedenen entzündungsauslösenden Botenstoffen (Interferon-γ, TNF-α, Interleukin-6 und Interleukin-2) hervor.

Im weiteren Prozess der Entzündung werden verschiedene Antikörper gebildet, von denen noch nicht bekannt ist, ob sie ursächlich an der Entstehung der Zöliakie oder anderen, mit Zöliakie assoziierten Autoimmunerkrankungen beteiligt sind. Neben Antikörpern gegen das Klebereiweiß selbst (Gliadin-Antikörper, AGA) treten auch sogenannte Autoantikörper gegen körpereigene Antigene auf. 1997 wurde die Gewebstransglutaminase als hauptsächlich verantwortliches Autoantigen identifiziert. Aufgrund dieser Befunde wird die Zöliakie aus pathophysiologischer Sicht als eine Mischform aus Allergie und Autoimmunerkrankung verstanden. Dabei stellt die allergische Komponente in Form der Überempfindlichkeit gegen das körperfremde Eiweiß Gliadin den auslösenden Faktor dar, während für die Ausprägung der Symptome die autoimmunologische Reaktion gegen körpereigene Strukturen verantwortlich ist. Letztlich endet der Entzündungsvorgang in einem programmierten Zelltod (Apoptose) der Enterozyten, der schließlich zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Verlust von Dünndarmzotten (Zottenatrophie) führt[2]. Die so geschädigte Dünndarmschleimhaut ist nun nicht mehr in der Lage, die zugeführte Nahrung in ausreichendem Umfang in die Blutbahn zu überführen, weil die Resorptionsfläche verkleinert ist.

Symptome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gedeihstörung
  • Meteorismus ("Blähbauch") durch Kohlehydratmalabsorption
  • Stuhlgang breiig, voluminös und faul riechend, evtl. Fettstühle
  • Nagelveränderungen, dünne atrophe Haut
  • Blutungsneigung, Eiweißmangelödeme, Polyneuropathie und trophische Hautstörungen
  • evtl. zusätzlich Dermatits herpetiformis Duhring (bei 10% der schwer Erkrankten)
    • juckendes, papulovesikuläres Exanthem an den Steckseiten der Extremitäten, Stamm, Hals und Haarbereich (sog. Dermatitis herpetiformis Duhring)

Komplikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach längerer Erkrankungsdauer mit Nichteinhalten der Diät malige Lymphome des Darms und Ösophaguskarzinome möglich (ca. 10%)

Diagnostik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Labor

unspezifische Diagnostik:

  • Stuhlgewicht und Fettgehalt
  • BSG ▲
  • Eisenmangelanämie
  • Quick/INR ▼
  • Gesamteiweiß und Albumin ▼

spezifische Labordiagnostik:

  • Gliadin- IgA und Gliadin-IgG-Antikörper
  • Transglutamianse-IgA-Atnikörper / Transglutamianse-IgG-Atnikörper bei IgA-Mangel
  • Ausschluss eines IgA-Mangels

Endoskopie

  • Dünndarmbiopsie aus dem 12-Fingerdarm und oberen Jejunum - empfohlen sind 3-5 Gewebeproben in unterschiedlicher Höhe entnommen, Beurteilung nach Marsh (Lymphozyten im Epithel > 40:100, Kryptenvertiefung, Zottenatrophie)

Funktionstests

  • Laktosebelastung-, Laktoseatemtest
  • Fruktosebelastungstest, Fruktoseatemtest
  • Eisenresorptionstest

Differentialdiagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konservativ[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Glutenfreie Diät (Eliminationsdiät)
    • Gluten ist in Weizen, Gerste, Roggen und Hafer enthalten sowie in den alten Getreiden Kamut, Emmer, Einkorn und Zweikorn
    • Produkte aus Reis, Sojabohnen, Mais, Hirse, Amaranth, Quinoa, Lupine und Nüssen/Mandeln sind erlaubt
    • Als glutenfrei gekennzeichnete Produkte ebenfalls
  • Bei Laktoseintoleranz milchfreie Kost (kann sich unter der Diät zurückbilden)
  • Bei Fruktoseintoleranz fruktosearme Kost (kein Obst, Gemüse und Haushaltszucker, kein Vollkorn!), dies kann sich ebenfalls durch Zöliakie-Diät verbessern.
  • Parenterale Substitution der fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K)
  • ggf. parenterale Substitution von Eisen
  • in schweren Fällen Kortison

Pflege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unmittelbar nach der Diagnose Schonkost, ggf. auch laktosefrei und fruktosearm

Keine spezifische Pflege

Pflege entsprechend der Symptomatik

Aufgrund des Muskelschwundes sind Bewegungsübungen notwendig

Psychische Betreuung durch Selbsthilfegruppen

Entlassungsberatung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An Ernährungsberatung verweisen. Strikte Einhaltung der glutenfreien Ernährung lebenslang.

Prognose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Risiken (z.B. Dünndarmlymphom/weitere Autoimmunerkrankungen) der nicht behandelten Zöliakie gehen nach 5-10 Jahren unter strikt glutenfreier Ernährung auf das Maß "Gesunder" zurück. Bereits aufgetretene Folgeerkrankungen der Zöliakie unterliegen der krankheitsspezifischen Prognose.

Die Malabsorption der Nährstoffe lässt nach. Die sehr häufig auftretende sekundäre Laktoseintoleranz sowie auch die Fruktosemalabsorption als Folge einer nicht behandelten Zöliakie lassen unter glutenfreier Ernährung mit Regeneration der Dünndarmschleimhaut individuell nach einiger Zeit nach.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]