Applikation
Applikation als Begriff in der Pflege und der Medizin bezieht sich auf das Ein- oder Anbringen oder das Verabreichen von medizinischen Wirkstoffen. Es beschreibt primär den Ort, an den die Substanz "appliziert" wird, dieser muss aber nicht zwingend auch der Wirkort sein. Orale Applikation bedeutet eben nicht zwingend, dass die Substanz auch im Mund wirkt, sie kann auch systemisch wirken und z. B. nach der Aufnahme über den Verdauungstrakt in den Blutkreislauf in der Leber metabolisiert werden. Applizieren kommt vom lateinischen Wort applicare (herantragen, im übertragenen Sinn auch sorgen für).
Man unterscheidet:
Lokale Applikationsformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Medikament wird lokal (örtlich) an den Wirkungsort appliziert, d. h. direkt dem Krankheitsherd zugeführt (z. B. wird eine Salbe direkt auf die erkrankte Hautstelle aufgetragen); der Wirkstoff breitet sich nicht in nennenswerter Menge außerhalb des Applikationsortes aus. Dies wird auch topisch genannt.
Systemische Applikationsformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Wirkstoff wird dem Blutkreislauf zugeführt und verteilt sich im ganzen Körper. Bei den systemischen Applikationsformen wird unterschieden zwischen
- enteraler Applikation (enteral = über den Darm): Das Arzneimittel wird dem Verdauungstrakt oral (durch Schlucken), sublingual (Aufnahme über die Mundschleimhaut) oder rektal (Einführen in den Anus, z.B. Zäpfchen) zugeführt und tritt über die Darmschleimhaut in den Kreislauf über. Auch die Applikation mittels einer Ernährungssonde (PEG, PEJ, nasale Magensonde) ist enteral.
- parenterale Applikationsformen (parenteral = am Darm vorbei, Umgehen des Darms): Das Arzneimittel tritt durch Injektion in ein Blutgefäß (bei i.a. oder i.v.-Injektion) oder in sonstiges Gewebe (s.c., i.m., etc.) in den Kreislauf ein. Darüberhinaus gelten auch weitere Applikationsarten wie Auftragen oder Inhalieren (transdermale bzw. pulmonale Verabreichung) als parenteral.
Die Wahl der Applikationsform ist abhängig von:
- Ausbreitung der Erkrankung - ist sie örtlich begrenzt (lokal) oder im Körper verteilt (systemisch)?
- Bioverfügbarkeit - wie schnell kann das Medikament wirken, wie wird es im Körper umgewandelt?
- Compliance - was kann bzw. was will der Patient nehmen (z.B. Tabletten oder lieber Tropfen, tägliche Einnahme oder Depotspritze)?
- Pharmakokinetik und Pharmakodynamik - wie kann/soll der Wirkstoff vom Körper aufgenommen werden, wie verhält er sich im Stoffwechsel (s. a. z.B. First-Pass-Effekt, Blut-Hirn-Schranke)?
Beispiele für Applikationsformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
endobronchial (e.b.) | „in den Bronchus“; Gabe über einen Tubus |
inhalativ (p.i. = per inhalation) | „über die Lunge“; einatmen |
intraarteriell (i.a.) | „in die Arterie“; Injektion |
intraartikulär | „in das Gelenk“; Injektion |
intrakardial | Injektion in das Herz |
intrakutan, intracutan (i.c.) | „in die Haut“; Injektion in die Haut (z.B. beim Prick-Test) |
intralymphatisch | „in die Lymphknoten“; Injektion |
intramuskulär (i.m.) | „in den Muskel“; Injektion (z.B. Impfstoffe) |
intraneural | Injektion in den Nerv |
intraossär (i.o.) | „in den Knochen“; Injektion, intraossäre Infusion |
intraperitoneal (i.p.) | in die Bauchhöhle |
intrapleural | Injektion in den Pleura-Spalt |
intrapulmonal | Injektion in die Lunge |
intrathekal | Injektion in den Liquorraum der Dura mater (Hirnhaut) |
intravenös (i.v.) | „in die Vene“; Injektion |
intravitreal | „in den Glaskörper“; Injektion in den Augapfel |
kutan, cutan | „auf die Haut“ (lat. Cutis; z.B. Salben; Applikationsart: parenteral) |
nasal | „durch die Nase“; einsprühen, in die Nase träufeln (Pulver, Tropfen) |
oral / peroral (p.o.) | „durch den Mund“; schlucken |
parenteral | „unter Umgehung des Darmes“ (keine eigene Applikationsform, es beinhaltet viele der o.g.) |
percutan, perkutan | „durch die Haut (hindurch)“ (injizieren, schneiden) |
perineural | Injektion in das Bindegewebe der Nerven |
peridural | Injektion in den Epiduralraum zur Periduralanästhesie |
rektal | „in den Ennddarm“; einführen oder einlaufen lassen |
subkutan, subcutan (s.c.) | „unter die Haut“; Injektion |
sublingual (s.l.) | „unter der Zunge“ zergehen/schmelzen lassen (Schmelztablette) |
transdermal | „durch die Haut“; auf die Haut auftragen (Transdermales Pflaster, Salbe) |
vaginal | „in die Vagina“; in die Scheide einführen oder -spülen |
konkrete Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zubereitungen zur oralen Einnahme können lokal, enteral systemisch und sogar parenteral systemisch wirken:
- lokal z.B. schmerzstillende Lutschtabletten bei Entzündungen im Rachen; Vancomycin bei MRSA-Befall im Verdauungstrakt - der Wirkstoff durchwandert den Verdauungstrakt, wird u. U. schon im Magen wirkungslos, geht aber keinesfalls in nennenswerter Menge in den Kreislauf über.
- enteral systemisch z.B. bei Schmerztabletten wie ASS, bei Psychopharmaka und Hypertonika - der Wirkstoff wird i. d. R. im Darm in den Kreislauf aufgenommen und verteilt sich so in den ganzen Körper.
- parenteral systemisch z.B. bei Psychopharmaka, Drogen oder homöopathischen Arzneimitteln ("Globuli"), die sublingual über die Mundschleimhaut aufgenommen werden.
Darreichungsformen zur cutanen Anwendung (Salben, Tinkturen, Pflaster etc.) können wirken
- rein lokal, wenn der Wirkstoff nur an der Hautoberfläche ansetzt und die Epidermis nicht durchdringt, z.B. Heilsalbe mit Dexpanthenol,
- transdermal parenteral systemisch, indem der Wirkstoff durch die Hautschichten in den Kreislauf übergeht, z.B. transdermale therapeutische Systeme wie Nikotin- oder Schmerzpflaster, oder sogar
- pulmonal, indem der Wirkstoff durch die Körperwärme verdunstet und somit eingeatmet wird, bekannt bei Zubereitungen mit ätherischen Ölen gegen Atemwegserkrankungen oder zur Förderung der Durchblutung.