Basale Stimulation

Aus PflegeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Basale Stimulation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Basale Stimulation ist ein pädagogisches und pflegerisches Konzept. Es fördert durch körperbezogene Interaktionen schwer beeinträchtigte Menschen in ihren Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Bewegungsfähigkeiten. Hohe Relevanz hat die bewusste Gestaltung des Alltags, den die Betroffenen erleben. Aus dem Bemühen, ihre Perspektive einzunehmen, leiten sich wesentliche Anregungen des Konzeptes ab. Sie integrieren z. B. kommunikative Berührungs- und Bewegungsangebote in das pflegerische Handeln. Basale Stimulation will die Gesundheit und das Wohlbefinden, die Partizipation und die Selbstbestimmung der beeinträchtigten Personen unterstützen. Häufig bedeutet das zunächst, eine sichere Orientierung in Bezug auf den eigenen Körper, die Mitmenschen und die dingliche Umgebung zu fördern bzw. zu erhalten. Denn das Orientierungsvermögen ist eine wichtige Voraussetzung, um einen Austausch mit Anderen und der Umwelt aufzubauen und zu pflegen.

Ursprünglich wurde die Basale Stimulation von Prof. Dr. Andreas Fröhlich in der Arbeit mit schwerstbehinderten Schülerinnen und Schülern entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Prof. Christel Bienstein erkannte das Potential des sonderpädagogischen Konzepts für die personenorientierte Pflege und übertrug es in Zusammenarbeit mit Andreas Fröhlich auf diesen Bereich. Inzwischen ist Basale Stimulation in weiten Teilen Europas bekannt und anerkannt.

Von Basaler Stimulation profitieren Menschen, die in ihrer Wahrnehmung, Bewegung und/oder Kommunikation schwer beeinträchtigt sind, u. a.

  • desorientierte Personen,
  • Menschen mit Demenz,
  • Menschen nach einer Apoplexie
  • Menschen im Koma oder Wachkoma,
  • Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit schwerster Behinderung,
  • frühgeborene Kinder,
  • Menschen im Sterbeprozess.

Dialog und Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Basale Stimulation versucht in Anlehnung an früh entwickelte Erlebens- und Kommunikationsformen mit den Betroffenen in Kontakt zu treten und diesen aufrecht zu erhalten bzw. zu erweitern. Das Konzept geht davon aus, dass ein Mensch, so lange er lebt, auf elementare Sinnes- und Kommunikationssysteme zurückgreifen kann. Zugangsmöglichkeiten bieten die unterschiedlichen Wahrnehmungsbereiche, die einem Menschen zur Verfügung stehen (vgl. Tabelle). Es zeigt sich demnach, dass sich menschliche Kommunikation nicht auf den kognitiv-verbalen Austausch einengen lässt. Vielmehr rückt Basale Stimulation die Verständigung durch körpersprachliche Ausdrucksweisen in den Fokus, den „somatischen Dialog“[1]

Wahrnehmungsbereiche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Somatische Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit somatischer Wahrnehmung wird in der Basalen Stimulation die Verarbeitung und das stete Zusammenspiel von taktilen und propriozeptiven Eindrücken bezeichnet. Es geht also um die Wahrnehmung des eigenen Körpers, seiner Teile, Grenzen und Bewegungen. Zugangsmöglichkeiten für den Dialog: Berührungen, z. B. zur Unterstützung bei der Körperpflege, begleitende und geführte Bewegungen, Angebote für die Hände oder die Füsse (haptisch)

Taktile und haptische Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die taktile Wahrnehmung ermöglicht Körpererfahrungen über die Haut. Die Haut ist das grösste menschliche Sinnesorgan und unsere „Kontaktstelle“ zur Aussenwelt. Die taktile Wahrnehmung verarbeitet somit auch Tast- und Spürerfahrungen der Hände und Füsse. Dafür ist auch der Begriff haptisch gebräuchlich.

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Berührungen, z. B. zur Unterstützung bei der Körperpflege, begleitende und geführte Bewegungen, Angebote für die Hände oder die Füsse (haptisch)

Propriozeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wörtlich übersetzt bedeutet „Propriozeption“ Eigenwahrnehmung. Gemeint ist damit die Tiefensensibilität: die Wahrnehmung von Muskelspannung und Gelenkstellung. Mitunter wird „Propriozeption“ noch umfassender verstanden und benennt dann zusätzlich die (Schmerz-) Empfindungen innerer Organe (etwa des Magens, des Darms etc.).

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Berührungen, z. B. zur Unterstützung bei der Körperpflege, begleitende und geführte Bewegungen, Angebote für die Hände oder die Füsse (haptisch)-

Vestibuläre Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vestibuläre Wahrnehmung reguliert das Gleichgewicht und liefert Informationen zur Lage des Körpers im Raum und von Bewegungen. Sie hat eine zentrale Bedeutung für die Koordination des Sehens.

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Berührungen und Bewegungen wie Schaukeln, Wiegen u. ä., Lage- und Positionswechsel (vom Liegen ins Sitzen, vom Sitzen ins Stehen etc.)

Vibratorische Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vibratorische Wahrnehmung meint das Wahrnehmen von Schwingungen. Dadurch erhält ein Mensch Informationen über sein Körper-Inneres, seine Körpertiefe und -fülle.

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laufen, Gehen, Musik, Summen, Singen, Stampfen, Klatschen, manuelles Erzeugen von Schwingungen

Orale und gustatorische[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit oraler Wahrnehmung sind Erfahrungen mit dem Mund oder im Mundraum gemeint. Das schliesst das Schmecken ein.

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Essen /Trinken, geschmackliche Anregungen, Berührungen der Lippen, Erkunden mit dem Mund

Olfaktorische Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Olfaktorische Wahrnehmung steht für das Riechen. Geruchserfahrungen haben häufig eine starke emotionale Färbung bzw. Prägung.

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Essen/Trinken, Düfte, Aromen

Auditive Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auditive Wahrnehmung meint das Hören, also das Wahrnehmen der Verbalsprache, von Tönen, Geräuschen, Stimmen etc.

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sprechen, stimmliche Gestaltung, Geräusche/Töne als Signale, Musik

Visuelle Wahrnehmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als visuelle Wahrnehmung bezeichnet man das Sehen, d.h. das Aufnehmen und Verarbeiten optischer Informationen.

Zugangsmöglichkeiten für den Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Optische Umgebungsgestaltung mittels Licht, Farben, Bildern, Hell-Dunkel-Rhythmen und -kontrasten

Ganzheitlichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wahrnehmungsbereiche lassen sich zwar einzeln und getrennt benennen, sie spielen aber stets zusammen und sind im Erleben eines Menschen nicht nacheinander sondern zur gleichen Zeit präsent. Sie treten also ganzheitlich zutage, als Gesamteindruck der eigenen Person und der umgebenden Welt. Eine tiefgreifende emotionale Bedeutung kommt der somatischen, der vestibulären und der vibratorischen Wahrnehmung zu: Erfahrungen, die durch diese Sinnessysteme vermittelt werden, spielen beim Ausbilden des Urvertrauens in der frühen Kindheit eine tragende Rolle. Wahrnehmen und das Erleben von Gefühlen haben also häufig eine enge Verknüpfung. Darin zeigt sich erneut die Ganzheitlichkeit des menschlichen In-der-Welt-Seins. „Ganzheitlichkeit bedeutet, dass unterschiedlichste Lernprozesse, Erfahrungen, Empfindungen, Denken und Wahrnehmen, aber auch Bewegen und Kommunizieren zur gleichen Zeit von der gleichen Person geleistet werden.“ Diese Ganzheitlichkeit gilt auch für Pflegende oder für Angehörige – „auch sie können sich selbst nicht in ‚Einzelteile zerlegen’“ .

Zentrale Lebensthemen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die zentralen Lebensthemen – auch zentrale Ziele genannt – sind Annäherungen an die Motive schwer beeinträchtigter oder schwer erkrankter Menschen. Als Motive bezeichnet man die inneren Beweggründe für unser Verhalten. Die zentralen Lebensthemen wollen somit erschliessen helfen, was die Person, mit der wir interagieren, in ihrer momentanen Lebenssituation besonders bewegt. Dadurch machen die Lebensthemen die Perspektive des beeinträchtigten Gegenübers zum Mittelpunkt des pädagogischen, therapeutischen oder pflegerischen Handelns. Patienten, Schülerinnen oder Klienten werden nicht als Pflege-, Lern- oder Therapie-Objekte gesehen sondern als Persönlichkeiten, als Akteure der eigenen Biographie, die derzeit pflegerischer, pädagogischer oder therapeutischer Unterstützung bedürfen.

Die zentralen Lebensthemen/Ziele geben gute Hinweise, um individuell passende Pflegeangebote bzw. die gesamte Pflegeplanung zu gestalten und damit – in einem achtsamen Dialog – eine angemessene Begleitung für den betroffenen Menschen zu gewährleisten. Im Einzelnen werden heute folgende zentrale Lebensthemen in der Basalen Stimulation benannt:

  • Leben erhalten und Entwicklung erfahren,
  • das eigene Leben spüren,
  • Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen,
  • den eigenen Rhythmus entwickeln,
  • das Leben selbst gestalten,
  • die Außenwelt erfahren,
  • Beziehungen aufnehmen und Begegnungen gestalten,
  • Sinn und Bedeutung geben und erfahren,
  • Selbstbestimmung und Verantwortung leben,
  • die Welt entdecken und sich entwickeln.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Andreas Fröhlich (2001): Sprachlos bleibt nur der, dessen Sprache wir nicht beantworten. Grundzüge des somatischen Dialogs. In: Orientierung 25 (2), S. 20-22.
  • Basale Stimulation: Ein Konzept für die Arbeit mit schwer beeinträchtigten Menschen ;Autor: Andreas Fröhlich,2015

Verlag Selbstbestimmtes Leben

  • Basale Stimulation in der Pflege ; Die Grundlagen 2012, 7. Auflage ; Andreas Fröhlich/Christel Bienstein Verlag Hans Huber, Hogrefe AG
  • Basale Stimulation® in der Akutpflege: Handbuch für die Pflegepraxis; Margrit Hatz-Casparis/Monika Roth Sigrist ; Verlag Hans Huber, Hogrefe AG; Auflage: 1., Aufl.
  • Basale Stimulation in der Pflege alter Menschen; Ansgar Schürenberg/Thomas Buchholz; Verlag Hans Huber 2013, 4., vollständige und erweiterte AuflageBasale Stimulation: Wege in der Pflege Schwerstkranker; Petr Nydahl/Gabriele Bartoszek; Urban und Fischer- 2012

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahrnehmungsstörungen und Wahrnehmungsförderung, Andreas Föhlich (Hg); 11. Auflage,2005 Handbuch der Sinneswahrnehmung: Grundlagen einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung; Renate Zimmer; 2012 Bewegung - das Tor zum Lernen (Lernen durch Bewegung); Carla Hannaford; 15. Januar 2013 Bewusstlos: Herausforderung für Angehörige, Pflegende und Ärzte Gebundene Ausgabe – 1. Januar 2000 von Christel Bienstein/Andreas Fröhlich Was wir noch tun können! Basale Stimulation in der Sterbebegleitung; 2013 von Stephan Kostrzewa und Marion Kutzner Wachkoma: Betreuung; Pflege und Förderung eines Menschen im Wachkoma; 2010; Peter Nydahl Spastizität: Pflegerische Interventionen aus der Sicht der Basalen Stimulation® und Ortho-Bionomy® Broschiert –2010 von Rosmarie Mathys (Autor),Jan Straub (Autor)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]