Palliative Sedierung

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Mit Palliativer Sedierung oder auch Terminaler Sedierung ist meistens die Verabreichung starker Beruhigungsmittel gemeint, die ein schwerkranker Patient in der Regel auf eigenen Wunsch erhält, wenn er sein Leiden als unerträglich empfindet. Dieses medikamentös induzierte ("künstliche") Koma ist eine Form der indirekten Sterbehilfe. Es wird in der Palliativmedizin nur bei Patienten in der Terminalphase eingesetzt. Grundsätzlich fällt unter diesen Begriff aber jede bewusstseinsbeeinträchtigende Maßnahme, die die Linderung der belastenden Symptome am Lebensende zum Ziel hat.

Zur Anwendung der palliativen Sedierung entwickelte die European Association for Palliative Care (EAPC) 2009 eine Leitlinie.[1]

Beispiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Patient hat verfügt, dass er nicht maschinell beatmet werden will, leidet aber zunehmend unter Atemnot. Die Dyspnoe wird palliativ zunächst mit angepassten Morphingaben behandelt. Ist dies nicht ausreichend oder besteht tatsächlich die Gefahr des Erstickens, die nur durch die nicht gewünschte maschinelle Beatmung zu vermeiden wäre, wird eine palliative Sedierung eingeleitet.

Indikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

- unerträgliche Schmerzen oder andere belastende Symptome, die sich mit den zur Verfügung stehenden Therapien nicht einstellen lassen (z.B. unerträgliche Angst, unstillbarer Schluckauf)
- zunehmende Dyspnoe bei Erkrankungen, die eine Obstruktion der Atemwege verursachen und ohne maschinelle Beatmung zum Ersticken führen

Allein der Todeswunsch des Patienten ist nicht ausschlaggebend für eine palliative Sedierung, denn dieser könnte aufgrund einer schweren Depression geäußert worden sein und bedarf besonderer Behandlung.

Angehörigenbegleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Angehörige von sterbenskranken Patienten sind zumeist emotional hoch belastet, hinzu kommt oft körperliche und nervliche Erschöpfung (z.B. durch Schlafmangel). Sie wollen das Beste für ihren Kranken, manchmal aus verborgenen Schuldgefühlen und eigenen Ängsten heraus, und beobachten jede seiner Regungen ganz genau. Dabei neigen sie manchmal zu Überinterpretation seiner Äußerungen (z.B. werden stöhnende Laute sofort als Schmerzäußerung aufgefasst oder leichte Bewegungen der Arme als Unruhe) und erwarten sofortige Handlungen zur "Bekämpfung" von den Pflegenden und den Ärzten, auch aus ihrem Standpunkt heraus, den Patienten besser zu kennen als die Mitglieder des behandelnden Teams. So kommt es manchmal zu Forderungen seitens der Angehörigen nach Sedierung, da sie die Situation nicht aushalten und um selber zur Ruhe zu kommen. Hier hilft nur das zugewandte Gespräch, in dem sich die Angehörigen ihrer eigenen Ängste bewusst werden.

Vor einer Palliativen Sedierung, die auf das Verlangen des Patienten hin eingeleitet werden soll, wird den Angehörigen genügend Raum und Zeit zum Abschiednehmen zur Verfügung gestellt. Da diese Situation äußerst angespannt sein kann, bedürfen die Angehörigen hierbei der Begleitung durch das behandelnde Team genauso wie der Patient selbst.

Durchführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für eine flache Sedierung kann in regelmäßigem zeitlichen Abstand ein Sedativum (Beruhigungsmittel) oral verabreicht werden, da hierbei das Bewusstsein erhalten bleibt. Soll das Bewusstsein komplett ausgeschaltet werden, wird eine tiefe Sedierung durchgeführt: Mittels Spritzenpumpe (Perfusor) wird kontinuierlich ein starkes Sedativum (i.d.R. Midazolam) subcutan oder intravenös (z.B. über ein Port-System) in der erforderlichen Dosis zugeführt, bei Schmerztherapie auch in Kombination mit einem Analgetikum (i.d.R. Morphin).

Die Sedierung kann beabsichtigt intermittierend (= mit Unterbrechungen) verlaufen, um den Patienten in der Wachphase erneut seinen Wunsch bestätigen zu lassen, damit bleibt ihm eine gewisse Kontrolle über sein Leben. Ist dies der Fall, wird die Sedierung bis zum Eintritt des Todes fortgesetzt, wenn der Patient keine weitere Unterbrechung wünscht. Im Durchschnitt beträgt die Dauer vom Beginn der Sedierung bis zum Todeseintritt etwa zwei bis drei Tage. Eine fachgerecht durchgeführte palliative Sedierung verkürzt das Leben nach bisheriger Studienlage eher nicht;[2] die Spanne liegt aber zwischen wenigen Stunden bis zu einer Woche. Maßnahmen wie die Grundpflege werden bis dahin in üblichem Umfang weitergeführt.

Ob während der Sedierung Flüssigkeits- und/oder Nahrungssubstitution erfolgen soll, muss vorher möglichst mit dem Patienten vereinbart worden sein (Laut der Therapieempfehlung des Netzwerkes Palliativmedizin Essen schließen sich aber palliative Sedierung und umfangreiche parenterale Ernährung gegenseitig aus). Ist der Patient selbst nicht (mehr) in der Lage, diese Entscheidungen zu treffen, sollten Betreuer/Bevollmächtigte gemeinsam mit den Angehörigen und dem Behandlungsteam oder (im Idealfall) eine Ethikkommission den mutmaßlichen Willen ergründen. Eine klare, rechtlich verbindliche Regelung gibt es zur Zeit noch nicht, die politische Diskussion über Sterbehilfe ist aber auch noch nicht abgeschlossen.

Kontroverse Diskussion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Noch immer wird die Palliative Sedierung skeptisch bis misstrauisch, zum Teil sogar als eine Form der Euthanasie betrachtet. Tatsächlich kann diese Methode eher als eine Alternative zur aktiven Sterbehilfe angesehen werden. So zeigt eine Untersuchung, dass in den Niederlanden zwischen 2001 und 2005 die Zahl der während einer terminalen Sedierung Verstorbenen zunahm, dagegen die an aktiver Sterbehilfe Verstorbenen abnahm.[3] Eine fachgerecht durchgeführte palliative Sedierung verkürzt das Leben nach bisheriger Studienlage eher nicht.[4] Es bleibt aber ein gewisses Risiko für Aspiration, Atemdepression und Herz-Kreislauf-Beeinträchtigungen.[5] Werden die sedierenden Mittel aber zur Symptomlinderung ohne absichtliche Lebensverkürzung angewendet, ist dies ethisch vertretbar, vor allem dann, wenn sonst keinerlei Therapiemöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen.[6]Schlusssatz: Die Palliative Sedierung ist auch unter Inkaufnahme einer verkürzten Lebenszeit ethisch als auch rechtlich legitim. Stichwort: indirekte Sterbehilfe

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marianne Kloke, Klaus Reckinger, Otto Kloke (Hrsg.): Grundwissen Palliativmedizin: Begleitbuch zum Grundkurs Palliativmedizin. Deutscher Ärzte Verlag, Köln 2009; S. 158-161
  • R.Prönneke:Terminale Sedierung - Sedierung bei Sterbenden oder "Schlaf auf Verlangen", Die Hospiz-Zeitschrift Nr.30, der hospiz verlag Wuppertal 2006

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. www.eapcnet.eu, abgerufen am 20. dezember 2013
  2. Lea Siegmann-Würth (Hrsg.): Ethik in der Palliative-Care: theologische und medizinische Erkundungen. S.136, Anmerkung 39
  3. S. A. Murray, K. Boyd, I. Byock: Continuous deep sedation in patients nearing death. BMJ (British Medical Journal) 2008; doi:10.1136/bmj.39504.531505.25
  4. Lea Siegmann-Würth (Hrsg.): Ethik in der Palliative-Care: theologische und medizinische Erkundungen. S.135
  5. Leitlinie für den Einsatz sedierender Maßnahmen in der Palliativversorgung, Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11: S. 113
  6. E. H. Prat: Terminale Sedierung ist keine Euthanasie. auf www.imabe.org, abgerufen am 20. Dezember 2013