Mundassessmentinstrumente
Es gibt verschiedene Mund-Assessmentinstrumente, die bei älteren Patienten/Bewohner eines Pflegeheims angewandt werden können, um Komplikationen schlechter Mundhygiene im Mundbereich wie Entzündungen der Mundschleimhaut und Speicheldrüsen nach Mundtrockenheit, Unterernährung, Gelenkentzündungen oder Lungenentzündungen (u. v. a. m.) vorzubeugen.
Assessmentinstrumente werden ganz allgemein Checklisten u. ä. genannt, die die ärztliche Diagnostik vorbereiten oder strukturieren. Sie können in der Regel auch von ausgebildeten Pflegekräften angewendet werden. Es ist auf die Kooperation von Pflege und (Zahn-)Medizin etc. zu achten.
Hintergrund
Studien in den USA, Kanada, Großbritannien und Europa haben gezeigt, dass die Mundgesundheit bei Pflegeheimbewohnern sehr schlecht ist. Die Mundhygiene wurde vom Personal kaum beachtet, obwohl sie ein wesentlicher Bestandteil für das physische und psychische Wohlbefinden ist.(3)
In Deutschland bestehen ebenfalls erhebliche Mängel bezüglich der Mundgesundheit von Pflegeheimbewohnern. 1996 wurden Untersuchungen zur Erfassung dieser Situation in Seniorenheimen in Sachsen durchgeführt. Keiner der Studienteilnehmer hatte noch ein vollständiges natürliches Gebiss. 68,3% von ihnen waren komplett zahnlos. Fast zwei Drittel hatten Mundschleimhauterkrankungen, von denen ein Drittel durch schlecht sitzende Zahnprothesen verursacht wurden, denn gerade mal 40% der Prothesen waren funktionstüchtig. Hinzu kommt, dass bei annähernd der Hälfte der Bewohner gehäuft Beläge festgestellt wurden und bei 21,3% die orale Hygiene als stark besserungsbedürftig eingestuft wurde.(6)
Folgen schlechter Mundhygiene sind Karies, Zahnfleischerkrankungen, Entzündungen der Mundschleimhaut, Mundtrockenheit und der Verlust von Zähnen. Das kann auch zu ernsthaften und lebensbedrohlichen Krankheiten bzw. Situationen führen. Dazu gehören Unterernährung und Dehydratation, Herzklappenfehler, Gelenkentzündungen, kardiovaskuläre Erkrankungen und Lungenentzündungen. Zusätzlich wird dadurch die Behandlung von anderen schon bestehenden Erkrankungen erschwert. (z.B. die Einstellung des Blutzuckers) Zu den physischen Komplikationen kommen auch noch die psychischen Belastungen. Der Mund und die Zähne spielen eine wesentliche Rolle bei der Kommunikation. Schmerzen, unattraktive Zähne sowie Mundgeruch führen zu einem Minderwertigkeitsgefühl und zur sozialen Isolation.
Faktoren, die die Mundhygiene erschweren können, sind u.a. Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Alzheimer, Schlaganfall etc. sowie bestimmte Medikamente, die zur Mundtrockenheit führen.(3)
Notwendigkeit eines Assessments in der Pflege (4)
Ein Eingangs- oder Abschnittsssessment …
• liefert Basisdaten und kann verhindern, dass es zu Komplikationen kommt bzw. die Komplikationen vermindern
• stellt den Pflegebedarf oder sonstigen Versorgungsbedarf fest
• identifiziert frühzeitig drohende oder verdeckt bereits bestehende Probleme
• ermöglich es später, die Wirksamkeit der Pflege festzustellen
• für die Pflegeforschung: Nebenwirkungen und Wirkungen von pflegerischen Maßnahmen sowie Pflegemittel werden genau beschrieben
• bietet Anfängern und Unerfahrenen Sicherheit und Unterstützung
• vermeidet bei berufserfahrenen das Übersehen komplizierter, sich allmählich verschlimmernder Zusammenhänge
Mundassessmentinstrumente
Es gibt kein Assessment-Instrument, das bei alle Patientengruppen Anwendung findet. Meistens ist ein Instrument nur für eine bestimmte Patientengruppe sinnvoll.
Es gibt verschiedene Mundassessmentinstrumente, die für ältere Bewohner eines Pflegeheims angewandt werden können:(2)
• „Mucosal Plaque Index“ (MPS), mit dem die Schleimhaut und der Plaquebefall untersucht wird
• „Activities of Daily Oral Hygiene“ (ADOH), mit dessen Hilfe geprüft wird, in wie weit die Bewohner ihre Mundpflege noch selbstständig durchführen
• „Minimum Data Set“ (MDS): Mundgesundheit ist beim MDS nur ein Teil des Assessments
Weitere Beispiele:
Brief Oral Health Status Examination (BOHSE) (5) BOHSE ist ein Instrument zur Einschätzung des Status der Mundgesundheit von geriatrischen Patienten durch das Pflegepersonal. Es kann bei kognitiv beeinträchtigten und nicht beeinträchtigten Pflegeheimbewohnern angewandt werden.
Das Assessment-Instrument umfasst 10 Items, mit denen die Mundgesundheit erfasst werden soll (Lymphknoten; Lippen; Zunge; Innenseite der Wangen, Mundboden und Gaumen; Zahnfleisch zwischen den Zähnen und/oder künstlichen Zähnen; Speichel; Zustand der natürlichen Zähne; Zustand der künstlichen Zähne; Zahnpaare in Kauposition (natürlich oder künstlich); Sauberkeit des Mundes) Jedes Item hat drei Beschreibungen, die auf einer Skala bewertet werden (0, 1, 2). 0 ist gesund und 2 ungesund. Der Gesamtscore umfasst alle 10 Items und reicht von 0 (sehr gesund) bis 20 (sehr ungesund).
Eine Schulung des Personals ist vor dem Einsatz des Instruments erforderlich. Außerdem ist es nicht für eine Diagnose geeignet, sondern eher zum Screenen. Eine Untersuchung dauert ca. zehn Minuten.
Oral Health Assessment Tool (OHAT) (1) Dabei handelt es sich um eine modifizierte Form des BOHSE Instruments. Zum einen wurden die Kategorien „Lymphknoten“ und „Zahnpaare in Kauposition“ entfernt und zum anderen die Gewebe- und Zahnfleischkategorien kombiniert. Außerdem wurden eine Kategorie für die Erfassung von Schmerzen bezüglich oraler Probleme hinzugefügt und ein Auslöser für die Überweisung zum Zahnarzt eingebaut.
Das OHAT besteht demnach aus acht Kategorien: Lippen, Zunge, Zahnfleisch und Schleimhaut, Speichel, Zustand der natürlichen Zähne, Zustand der künstlichen Zähne, orale Sauberkeit und Schmerzen.
Auch hier benötigt das Personal eine Schulung, um den Umgang mit dem Instrument zu erlernen.
Kritik
Die beiden Assessmentinstrumente BOHSE und OHAT sind bezüglich ihrer Reliabilität und Validität für den Einsatz in Pflegeheimen von vielen „Experten“ als geeignet dargestellt worden. Die Test-Retest Reliabilität ist bei beiden Instrumenten ähnlich hoch. Die Interrater-Reliabilität ist dagegen beim OHAT höher, was eventuell daran liegen kann, dass die OHAT-Untersuchung über einen längeren Zeitraum verlief als die BOHSE-Untersuchung, und das Pflegepersonal dadurch im Umgang mit dem Instrument geübter war. Gut ist die Reliabilität jedoch bei beiden Instrumenten nicht.
Die durchschnittliche Untersuchungszeit ist beim OHAT niedriger, was wahrscheinlich daran liegt, dass das OHAT weniger Kategorien aufweist als das BOHSE Instrument.
Eine gewisse Validität konnte ebenfalls nachgewiesen werden, jedoch trifft diese nicht für alle Kategorien in den Instrumenten zu.
Die Sensitivität der Instrumente, ihre Aussagekraft, scheint nicht sehr hoch zu sein, da der Gesamtscore der Bewohner im Durchschnitt sehr gering ausfällt (Bewohner haben insgesamt gute Mundgesundheit), was im Widerspruch zu den Ergebnissen aus mehreren Studien steht, die eine schlechte Mundgesundheit bei Pflegeheimbewohnern festgestellt haben.
Assessmentinstrumente rücken Mund- und Zahnprobleme zwar in den Vordergrund, sind jedoch recht umfangreich und die Pflegenden müssen sich Zeit nehmen, um ein Assessment komplett abzuschließen. Diese fehlt aber meistens, was in der Studie von Kayser-Jones et al. auch bemängelt wurde.
Zusätzlich muss das Pflegepersonal ein Schulungsprogramm durchlaufen, was in den Studien jedoch nicht umfangreich genug war und ein erheblicher Teil der Teilnehmer damit Unzufriedenheit äußerte.
Fazit
Sicher ist, dass vermehrt auf die Mundgesundheit der Pflegeheimbewohner geachtet werden sollte, da dieser Bereich in den letzten Jahren ( ?? ) mancherorts vernachlässigt wurde. Zu bezweifeln ist allerdings, ob die beschriebenen Assessmentinstrumente aufgrund der Ergebnisse in den Studien dafür geeignet sind.
Es scheint doch eher sinnvoll zu sein, bessere und umfangreichere Studien mit den Mundassessmentinstrumenten durchzuführen, um die Reliabilität und Validität zu verbessern sowie die Sensitivität nachzuweisen. Dazu müssen die schon bestehenden Instrumente weiter modifiziert werden, wie es mit dem BOHSE Instrument gemacht wurde.
Literatur
1. Chalmers, JM; King, PL; Spencer, AJ et al. (2005): The oral health assessment tool – validity and reliability. Australian Dental Journal 50 (3): 191-199.
2. Chalmers, J; Pearson, A (2005a): Oral hygiene care for residents with dementia: a literature review. Journal of Advanced Nursing 52 (4): 410-419.
3. Coleman, Patricia et al. (2002): Improving oral health care for the frail elderly: A review of widespread problems and best practices. Geriatric Nursing 23 (4): 189-199.
4. Gottschalck, T; Dassen, T; Zimmer, S (2003a): Assessment-Instrumente zur pflegerischen Beurteilung des Mundes. Pflege 16: 273-282.
5. Kayser-Jones, J et al. (1995): An instrument to assess the oral health status of nursing home residents. The Gerontologist 35 (6): 814-824.
6. Nitschke, I; Vogl, B; Töpfer, J et al. (2000): Oraler Status von Altenheimbewohnern in den neuen Bundesländern. Deutsche Zahnärztliche Zeitung 55: 707-713.
7. Reuschenbach, Bernd (2006): Pflegeassessment. http://www.pflegeassessment.de/, letzter Zugriff 10.4.08.