Sturz
Angelehnt an die Definition der WHO ist ein Sturz "ein Ereignis, bei dem der Betroffene unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer anderen tieferen Ebene aufkommt".[1] Damit wird auch ein sogenannte "Beinahe-Sturz" berücksichtigt, bei dem der Betroffene aufgefangen wird oder im Sitzen oder Hocken aufkommt.
Ein Sturz kann schmerzhafte Prellungen, offene Wunden oder Knochenbrüche verursachen und unter Umständen in die Pflegebedürftigkeit münden. Hinzu kommen möglicherweise psychischen Folgen wie gesteigerte Ängstlichkeit bei der Fortbewegung mit zunehmender Einschränkung der Mobilität und des Bewegungsradius, was auf Dauer in soziale Isolation führen kann. In Einzelfällen kann ein Sturzereignis den Tod herbeiführen.
In der Pflege können Maßnahmen der Sturzprophylaxe das Risiko reduzieren. Hierzu wurde 2005 ein entsprechender Expertenstandard entwickelt, der 2013 erstmals aktualisiert wurde.
Allgemeines
Stürze sind eine der häufigsten Ursachen für die Pflegebedürftigkeit älterer Menschen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Hälfte aller über 70-Jährigen bereits einmal oder mehrmals gestürzt sind. Die Folgen sind oft schmerzhafte Hämatome und Prellungen. Von allen Stürzen haben 15% ernsthaftere Verletzungen zur Folge (Kopfverletzung, Frakturen). Die häufigsten Verletzungen sind dann
1. Oberschenkelhals- oder Oberschenkelfrakturen (ca. 100.000 Fälle pro Jahr)
2. Frakturen des Oberarms
3. Frakturen der Schulter
Hinzu kommen psychische Folgen. Wenn aus Angst vor weiteren Stürzen die Bewegungen durch die betroffene Person eingeschränkt werden, entsteht ein Teufelskreis von wechselseitigen Folgen für den Gleichgewichtssinn, soziale Interaktionen, Wahrnehmung des Selbstbildes (Selbstwertgefühl), Muskulatur, Ernährung.
Besonders gefährlich sind Stürze auf den Kopf, die eine Schädelfraktur oder ein subdurales Hämatom nach sich ziehen können. Die betroffene Person kann wegen einer eventuell aus dem Sturz resultierenden Amnesie nicht von dem Ereignis berichten. Cave: Ungewöhnliche Schläfrigkeit auch noch Tage bis Wochen nach dem Sturzereignis können in ein zunächst als tiefer Schlaf falsch interpretiertes Koma und in der Folge zum überraschenden Tod führen.
Gefährdete Personengruppen
Das alltägliche Risiko zu stürzen erhöht sich für die Menschen, denen die Fähigkeit zur Vermeidung eines Sturzes fehlt bzw. ganz oder teilweise verloren gegangen ist, beispielsweise den Körper im Gleichgewicht zu halten oder mit Schutzreflexen zu reagieren. Zu den besonders sturzgefährdeten Personengruppen gehören neben Älteren auch Menschen mit reduziertem Allgemeinzustand oder mit Behinderungen, unabhängig von der Altersgruppe.
Risikofaktoren
Ein Sturz ist als ein multifaktorielles Geschehen zu betrachten. Persönliche Defizite in verschiedenen Bereichen, aber auch ungeeignete räumliche Gegebenheiten und nicht zuletzt Unachtsamkeit des Umfeldes spielen dabei eine Rolle. Der Nationale Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege unterscheidet daher personen-, medikamenten- und umgebungsbezogenen Risikofaktoren, die Sturzereignisse begünstigen können.
Personenbezogen
- Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens
- Einschränkungen der Mobilität (Gehfähigkeit, Gleichgewichtsstörungen, ausgeprägte körperliche Schwäche)
- Erkrankungen, die den Kreislauf betreffen (beispielsweise Herzrhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen, vorübergehender Bewusstseinsverlust); Epilepsie; Depression
- Kognitive Einschränkungen wie Sehstörungen (Weit-oder Kurzsichtigkeit, Verlust von 3D-Sehen, Gesichtsfeldeinschränkung), Schwerhörigkeit, * Unruhezustände, vermindertes Urteilsvermögen, Unterschätzen von Sturzgefahr (z.B. bei dementieller Beeinträchtigung, Verwirrtheit, Delir)
- Harninkontinenz oder erhöhte Harnfrequenz (beispielsweise beim Harnwegsinfekt)
- Sturzangst, beispielsweise aufgrund von Sturzereignissen in der Vergangenheit
- Ablehnung von Unterstützungsangeboten oder Hilfsmitteln (möchte anderen nicht lästig fallen, überschätzt eigene Fähigkeiten)
Medikamentenbezogen
- Polypharmazie
- Psychotrope Medikamente (Hypnotika, Sedativa, Antidepressiva)
- Antihypertensiva
- Diuretika, Laxantien
- Antihistaminika
Umgebungsbezogen
- Stolperfallen wie umherliegende Kabel oder schlecht erkennbare, steile, glatte oder hohe Stufen, Teppiche
- lockere Treppengeländer
- nasse oder frisch gebohnerte Fußböden
- abgestellte Gegenstände (z.B. Taschen)
- verbogene, unzureichend ausgerichtete Brillen bzw. Brillengläser, falsche Brillenglasstärken
- zu lange Kleidung, welche auf dem Boden schleift
- schlecht sitzende Schuhe, die den Gang verändern und zu Gehunsicherheiten führen, ungeeignete Ausführung (offene Pantoffeln, keine oder komplizierte Verstellmöglichkeit von Riemen)
- ungeeignete oder nicht an die Körpergröße angepasste Hilfsmittel (Gehstock, Rollator)
- unzureichende Lichtverhältnisse
- blendendes, Schatten werfendes Licht
- Fixierung oder andere freiheitsentziehenden Maßnahmen
Weblinks
Einzelnachweise
1. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.): Auszug aus der abschließenden Veröffentlichung "Expertenstandard 'Sturzprophylaxe in der Pflege'", 1. Aktualisierung 2013, S. 11