Gerontopsychiatrie

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Das Wort Gerontopsychiatrie (oder Psychogeriatrie) leitet sich ab von Ger (griechisch: der Greis), Psycho (griechisch: der Geist). Sie ist etwa seit 1980 in Deutschland eine Unterdisziplin der (Erwachsenen-)Psychiatrie in der Medizin.

Diagnose und diagnostische Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die unterscheidende Erkennung psychischer Störungen im Alter ist besonders schwierig. Dies hat mehrere Gründe:

  • Die Häufigkeit fließender Übergänge zwischen physiologischen Altersvorgängen und krankhafter psychischer Störung.
  • Das Zusammenwirken konstitutioneller, endogener und organischer sowie situativer, psychoreaktiver und biografischer Faktoren. Man spricht von der multifaktoriellen Genese psychischer Störungen des höheren Lebensalters.
  • Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen Erkrankungen. Aus diesem Grund verliert der traditionelle Krankheitsbegriff jene Bedeutung, die er für die Psychiatrie des Erwachsenenalters bis heute beansprucht. Die für die Behandlung und Einschätzung der Prognose relevante Betrachtungsweise von psychischen Störungen im Alter orientiert sich demgegenüber an gestörten Funktionsbereichen und der Bewertung aller maßgeblich beteiligten organischen, psychischen und sozialen Faktoren. Dieses Vorgehen entspricht der mehrdimensionalen Diagnostik, wie sie von Kretschmer inaugiert wurde.
  • Die Multimorbidität, also das - im Alter besonders auftretende - gleichzeitige Auftreten mehrerer Krankheiten.

Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mögliche Mit-Ursachen können sein:

*Soziales (sozioökonomischer Status und soziales Umfeld)

*Personengebundenes (Lebensbiografie, Vorhandensein und Art von zwischenmenschlichen Beziehungen zu anderen, situative Belastungen)

*Körperliche (Gesundheit und Leistungsfähigkeit) Charistika

Sie stehen in enger Beziehung zu einem negativen Selbstbild.

Dabei betrachtet man in diesem Funktionskreis die häufig zu beobachtenden Wechselbeziehungen zur körperlichen Gebrechlichkeit als das erste Bewegende in einer Kausalkette.

Andere Vorstellungen gehen davon aus, dass sich soziale Isolation, Lebenszufriedenheit, psychische Distanz und soziale Bewertung gegenseitig beeinflussen und verstärken können. Darüber hinaus können stereotype Einstellungssysteme, die mit einer individuellen Disposition zusammentreffen, als krankheitsauslösende Faktoren Bedeutung gewinnen und auch den Krankheitsverlauf beeinflussen.

Das Ergebnis ist ein kompliziertes und vielgestaltetes Bild heterogener Entstehungsbedingungen. Deshalb spricht man von einer individualisierenden Diagnostik. An dieser Stelle von schematischen Diagnosen und einer strengen nososlogischen Vorgehensweise sollte die Beschreibung von unterschiedlichen Zustandsbildern, Krisentypen und Leitsymptomen treten.

Aus ihnen ergeben sich dann für die Praxis wechselnde therapeutische und rehabilitative Konsequenzen. Es geht um die schwierige, im Einzelfall zu entscheidende Aufgabe, möglichst alle relevanten pathogenen Faktoren zu gewichten und daraus alle erforderlichen therapeutischen Strategien abzuleiten.

Diese historisch auf Kretschmer zurückgehende Erkenntnis hat sich in der systematisierten Vorgehensweise des Assessments in allen Bereichen der Altersmedizin weitgehend durchgesetzt und hat die interdisziplinäre Arbeitsweise zur Voraussetzung.

Häufigsten Krankheiten, Symptome und Verhalten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwierige Verhaltensweisen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • aggressives Verhalten (Fremd- und Autoaggressivität)
  • verbal aggressives Verhalten (Schimpfen, Fluchen, Bedrohen)
  • lautes Verhalten (Schreien, lautes Weinen)
  • Weglauftendenz im aktiven Sinne (Suche nach Ausgang oder Fluchtmöglichkeit)
  • Versuch, bei Türöffnung zu entweichen
  • ausgeprägte motorische Unruhe ("Wandern"; Herumschieben und -stoßen von Gegenständen wie Stühlen und Tischen; Ausräumen von eigenen/fremden Schränken und Schubladen)
  • Verstopfen von Abläufen; Zerreißen von Servietten, Inkontinenzeinlagen, Zeitungen, etc.
  • enthemmtes Verhalten (sexuelle Enthemmung; bulimisches Verhalten, u.U. mit Entwenden von Essen von Drittpersonen oder MitpatientInnen oder Einnahme von nicht Essbaren (Pica-Syndrom)
  • Explosivreaktionen bis zur Gewalttätigkeit, Verrichten der Notdurft in der Öffentlichkeit, Störung der Einhaltung der "Sozialdistanz" und anderer sozialer Konventionen etc.

Aufmerksamkeit bei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gerade wegen der Ko- und Polymorbidität sollte man beim Vorkommen von Verhaltensweisen wie Agitiertheit, Unruhe, Erregung, Aggression u.ä. auch an folgende Ursachen denken:

Eine Erkrankung, die eine große Belastung für die Umgebung sein kann, ist das Diogenes-Syndrom (auch: w:Messie-Syndrom). Es handelt sich hierbei vielleicht um eine soziokulturelle Verweigerungshaltung bei einem älteren Menschen, der ein langes Leben mit sozialer Bewahrung hinter sich hat und der weder an einer schizophrenen Störung noch an einer Demenz leidet. Das Syndrom geht oft einher mit einer Vernachlässigung des persönlichen Lebensraums und der persönlichen Hygiene, Sammeltrieb, sozialen Rückzug und Abwehr.

Psychische Störungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Psychische Störungen können vorübergehend oder dauerhaft vorliegen. Sie treten natürlich nicht erst im Alter sondern in jeder Lebensphase auf. Wenn die Lebensführung durch sie eingeschränkt wird, sollte ein Facharzt befragt werden, ob eine Therapie oder Verhaltenstherapie sie heilen kann bzw. den Umgang mit ihr erleichtern.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Faust: Psychiatrie - Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. ISBN 3-437-00759-9
  • Dorothea Sauter u. a.: Lehrbuch Psychiatrische Pflege. ISBN 3-456-84273-2
  • J Sitvast, B van Meijel (2005): Die Anwendung von Lebensbüchern in der Gerontopsychiatrie, in: Pflegezeitschrift 58 (9); S.551-555

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]