Blutgruppe

Aus PflegeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Unter Blutgruppen versteht man erbliche, strukturelle Eigenschaften von Blutbestandteilen, die sich bei verschiedenen Individuen unterscheiden. Sie sind v. a. in der Transfusions- und Transplantationsmedizin von großer Bedeutung. Außerdem spielen sie in der Gerichtsmedizin, sowie für stammesgeschichtliche Untersuchungen eine Rolle.

Begriffsdefinitionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum allgemeinen Verständnis müssen einige Begriffe geklärt werden:

  • Blutgruppenantigene sind auf Blutzellen lokalisierte Strukturen, welche die einzelnen Blutgruppen charakterisieren. Diese Antigene definieren das "Immunologische Selbst" und lösen, in einen fremden lebenden Organismus eingebracht, Abwehrreaktionen aus.
  • Blutgruppenantikörper sind Substanzen im Blutplasma, die gegen fremde Blutgruppenantigene gerichtet sind und zu schweren immunologischen Reaktionen führen.
Man unterscheidet:
  • Reguläre Antikörper, die immer blutgruppenkonträr vorkommen.
  • Irreguläre Antikörper, die erst durch Immunisierung nach Antigenkontakt gebildet werden.

AB0-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das AB0-System wurde 1901 von Landsteiner entdeckt und ist eines der wichtigsten Blutgruppensysteme für die Transfusionsmedizin, da reguläre Antikörper vorkommen.

Antigene im AB0-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund von vier verschiedenen Antigenen (A1, A2, B und H) auf der Oberfläche der Erythrozyten kann man nach dem AB0-System phänotypisch sechs Blutgruppen unterscheiden, wobei lediglich vier Unterscheidungen klinisch relevant sind. Die Antigene A1 und A2 werden klinisch nicht unterschieden, da wechselseitig nie reguläre Antikörper vorkommen. Es existieren noch weitere seltene Antigene, die zur Ausbildung zusätzlicher Untergruppen führen, welche jedoch i. d. R. ohne klinische Relevanz sind.

Die Blutgruppenmerkmale A und B werden kodominant vererbt, d. h. sie wirken gleich stark auf den Phänotyp ein, so dass die Blutgruppe AB entsteht. A1 ist dominant über A2 und alle drei Merkmale sind dominant über das Merkmal H, das Antigen der Träger der Blutgruppe 0.

Folgende Genotypen sind möglich:

Blutgruppe Genotyp
A1 A1A1 oder A1A2 oder A10
A2 A2A2 oder A20
B BB oder B0
A1B A1B
A2B A2B
0 00

Antikörper im AB0-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die entsprechenden Antikörper im Blut sind ebenfalls genetisch festgelegt und richten sich immer gegen die Antigene, die nicht im eigenen Blut vorhanden sind. Es werden klinisch die Antikörper Anti-A und Anti-B unterschieden, bei denen es sich um IgM-Antikörper handelt. Irreguläre Antikörper wie beispielsweise Anti-A1 bei der Blutgruppe A2 sind extremst selten und zusätzlich meist nur bei Kälte wirksam, so dass sie klinisch irrelevant sind.

Die Antikörper verteilen sich wie folgt:

Blutgruppe Antikörper
A1 und A2 Anti-B
B Anti-A (Gemisch aus Anti-A1 und Anti-A2)
A1B und A2B keine
0 Anti-A (Gemisch aus Anti-A1 und Anti-A2)

Blutgruppenverteilung im AB0-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Mitteleuropa verteilen sich die Blutgruppen des AB0-Systems wie folgt:

Blutgruppe Häufigkeit
0 39%
A1 38%
A2 10%
B 9%
A1B 3%
A2B 1%

Klinisch werden die Blutgruppen A1 und A2, sowie die Blutgruppen A1B und A2B zusammengefasst.

Im AB0-System muss stehts streng AB0-identisch transfundiert werden! In Notfällen sind Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0, sowie Blutplasma der Blutgruppe AB so genannte Universalkonserven, die allen Patienten transfundiert werden können.

Rhesussystem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antigene im Rhesus-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rhesussystem stellt ein weiteres Blutgruppensystem dar, das 1940 von Landsteiner und Wiener entdeckt wurde. Es umfasst verschiedene Antigene (C, CW, c, D, DW, E und e), die kodominant vererbt werden. Aufgrund seiner hohen Antigenität besitzt jedoch nur das Antigen D klinische Relevanz. Alle Menschen, die das Antigen D nicht auf ihren Erythrozyten tragen gelten als rhesusnegativ (Rh-). Menschen, die das Antigen D besitzen sind rhesuspositiv (Rh+ oder D).

Antikörper im Rhesus-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zum AB0-System existieren keine genetisch festgelegten Antikörper. Die Antikörper des Rhesus-Systems werden erst im Rahmen einer Immunisierung bei Kontakt mit dem Antigen gebildet. Hier spielt der Antikörper Anti-D die klinisch entscheidende Rolle, die übrigen Antikörper sind bedeutungslos, da sie aufgrund der schwachen entsprechenden Antigene extremst selten gebildet werden.

Klinische Bedeutung des Rhesus-Systems[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Immunisierung, also die Ausbildung irregulärer Antikörper, wird durch Kontakt rhesusnegativer Personen mit rhesuspositivem Blut ausgelöst. Aus diesem Grund muss stets streng D-kompatibel transfundiert werde.

Ein weiteres Problem bzgl. des Rhesus-Systems tritt in der Geburtshilfe auf. Treten unter der Geburt eines rhesuspositiven Kindes dessen Erythrozyten in den Kreislauf der rhesusnegativen Mutter über, so kommt es zur Ausbildung von Anti-D-Antikörpern. Die Anti-D-Antikörper gehören im Gegensatz zu den Antikörpern des AB0-Systems zur Gruppe der IgG-Immunglobuline, welche aufgrund eines geringeren Molekulargewichts die Plazentaschranke passieren können. Bei einer erneuten Schwangerschaft der Mutter mit einem rhesuspositiven Kind besteht die Gefahr, dass mütterliche Antikörper die Erythrozyten des Kindes hämolysieren und es zum lebensbedrohlichen Morbus haemolyticus neonatorum kommt. Um dies zu vermeiden, wird rhesusnegativen Müttern, direkt nach der Geburt eines rhesuspositiven Kinder eine große Menge Anti-D-Antikörper injiziert. Diese binden an die D-Antigene der in den mütterlichen Blutkreislauf übergetretenen, kindlichen Erythrozyten und hämolysieren diese, so dass die Mutter selbst keine IgG-Antikörper bildet.

Kell-Cellano-System[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kell-Cellano-System wurde nach zwei Frauen (Kellacher und Cellano) benannt, bei denen die Blutgruppenmerkmale erstmalig festgestellt wurden.

Im Kell-Cellano-System sind verschiedene Antigene bekannt, die alle kodominant vererbt werden. Die meisten Antigene sind für die Transfusionsmedizin allerdings bedeutungslos, da aufgrund der mitteleuropäischen Genverteilung praktisch immer identisch transfundiert wird. Lediglich die Antigene K und k verursachen aufgrund der Verteilung in der Bevölkerung transfusionsmedizinisch Probleme:

Genotyp Häufigkeit Blutgruppenmerkmal
kk 92% Kell negativ
Kk 7,8% Kell positiv
KK 0,2% Kell positiv

Bei der Versorgung reinerbiger kellpositiver Personen (KK) mit Fremdblut muss unbedingt der Kontakt mit dem Antigen k und eine damit verbundene Immunisierung vermieden werden, da im Falle der Bildung von Anti-k die Blutversorgung extrem schwierig wird. Aus diesem Grund werden die Antigene K und k routinemäßig bei Blutspendern und Blutempfängern ermittelt.

Da im Rahmen der Schwangerschaft auch im Kell-Cellano-System eine, mit der Rhesusinkompatibilität vergleichbare, Reaktion möglich ist, wird im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen auch auf Kell-Antikörper untersucht.

Weitere Blutgruppen-Systeme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den bisher genannten Blutgruppen-Systemen gibt es noch eine Reihe weiterer Blutgruppen, die klinisch nur von Bedeutung sind wenn Antikörper vorliegen, die eine gruppenidentische Transfusion notwendig machen.

Einige Blutgruppen sind im Folgenden genannt:

  • Lewis-System, das in engem Zusammenhang mit dem AB0-System steht
  • Duffy-System
  • Kidd-System
  • Lutheran-System, dessen Antikörper stärker bei Raumtemperatur als bei 37 °C reagieren
  • MNSs-System, dessen Antikörper nur selten bei Körpertemperatur wirksam sind

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eckstein R.: Immunhämatologie und Transfusionsmedizin. 4. neubearb. und erweit. Aufl., München: Urban & Fischer, 2001. ISBN 3-437-21031-9