Wundanamnese
Bei der Wundanamnese wird nach Einflussfaktoren gesucht, die die Wundentstehung oder den Heilungsprozess beeinflussen. Sie können unterteilt werden in:
- lokale Faktoren (exogen-lokale, extrinsische Einflüsse)
- patientenspezifische Faktoren (endogen-systemische, intrinsische Einflüsse) - auch personengebundene Einflüsse
lokale Faktoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Lokalisation der Wunde: Befindet sich die Wunde z.B. im Gesicht, ist mit schneller Heilung zu rechnen, da das Gesicht gut durchblutet ist. Wunden an den Zehen heilen oftmals weniger gut, da sie vergleichsweise weniger gut durchblutet sind. Ein gut durchbluteter Muskel heilt besser als Sehnen; Wunden, die über ein Gelenk greifen, neigen zur gestörten Narbenbildung insbesondere wenn das Gelenk ständig in Bewegung ist.
- Lokale Versorgung des Wundgebietes: Durchblutungsstörungen im Wundgebiet reduzieren die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung und senken die Infektabwehr. Wenn zu wenig Sauerstoff die Wunde erreicht, wird auch die Angiogenese und Kollagenbildung empfindlich gestört, was zu instabilem Gewebe oder zur völligen Stagnation der Wundheilung führen kann.
- Feuchtigkeit: Physiologisch ist das Wundmileu feucht (Zellen "schwimmen", aber "fliegen nicht"). Eine Austrocknung der Wunde führt ggf. zu Gewebsnekrosen, da die Möglichkeit der Zellen zur Migration und Epithelisierung negativ beeinflußt wird.
- Temperatur: Die Wunde benötigt Körpertemperatur zur Heilung. Bereits ein Temperaturabfall von 2° C im Wundgebiet beeinträchtigt den biologischen Prozess der Wundheilung. Daher sollte eine Wunde nur mit einer Spüllösung behandelt werden, die mindestens 28° C warm ist. Optimal ist eine Wundspüllösung mit einer Temperatur von 35 bis 37° C. Zur Erwärmung eignen sich elektrische Flaschenwärmer für Säuglingsmilch.
- mechanische Belastung: Anhaltende Fehlbelastung, Belastung und Druck verzögert die Wundheilung oder führt sogar zu einer verschlimmerung (z.B. bei diabetischem Fußulcus in herkömmlichem Schuhwerk ohne Entlastungsschuh, Orthese o.ä. oder Dekubitalulcera, wo keine Druckentlastung durchgeführt wird). Ohne Druckentlastung kann die Wunde nicht heilen.
- inadäquate Wundbehandlung:
- Antibiotika sollten lokal nicht angewendet werden (wie Aureomycin, Leukase, Refobacin, Sulmycin, Nebacetin, Neobac, Nifucin, Furacin, Brandiain, Flammazine, Achromycin, Aureomycin, Tyrosur). Neben dem Allergiepotential, der Schmerzinduktion und Resistenzentwicklung haben sie auch eine ungenügende Wirksamkeit (Grund: lokale Metabolisierung) und ungenügende Konzentration am Wirkort. Nachweislich stören sie die Wundheilung.
- Folgende Lokaltherapeutika nicht anwenden bei einer chronischen Wunde: Triphenylmethan, Farbstoffe (z.B. Kristallviolettlösung, Pyoktaninlösung, Brillantgrünlösung); Glucoselösung, Insulin, Heparin, Candio-Hermal-Paste oder Lebensmittel wie Honig, Rohrzucker, Salz, Quark, Kohlblätter, Seesand, Heilerde, Knoblauch, Teebaumöl... Es gibt für Lebensmittel keine therapeutische Indikation zur Wundbehandlung. Verboten ist die Verwendung von quecksilberhaltigen Produkten! Sie sind am 30.06.2003 vom Markt verschwunden. Mercuchrom ist sicher noch einigen bekannt als quecksilberhaltiges Präparat (rote Lösung), auch dieses Produkt darf nicht auf den Wundrand oder gar in die Wunde.
- Fremdkörper: Mit Fremdkörpern sind nicht nur Scherben oder Messer gemeint, sondern auch Puderreste, Nekrosen, Reste von Verbandsmaterial, etc. Fremdkörper blockieren die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung im Wundgebiet und sind teilweise unüberwindbare Hindernisse für das Wundexsudat, das dadurch nicht abfließen kann; auch die Bildung von Endothelzellen kann dadurch gestört werden. Außerdem kann es durch Fremdkörper zum Abszess, Granulom oder Fistelbildung kommen.
patientenspezifische Faktoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Lebensalter
- Ernährungszustand
- Immunstatus
- Begleiterkrankungen
- Arzneistoffe
- Strahlentherapie
- Psychosoziale Faktoren
Lebensalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Das Tempo der Zellerneuerung nimmt mit fortschreitendem Alter ab (dadurch Epithelisierung verlangsamt).
- Die Barrierefunktion der Haut nimmt ab durch geringere Talgproduktion, es sind weniger Mastzellen vorhanden.
- Die Epidermis und Subcutis werden dünner, eine verringerte Keratinisation vermindert die Schutzfunktion der Haut im Alter.
- Die Mikrozirkulation des Blutes und Kapillarneubildung wird geringer,
- Multimorbidität nimmt zu,
- sensorische Wahrnehmung nimmt ab.
- Eine Schwächung der Grundsubstanz und eine Abnhame von Kollagen und elastischen Fasern führt zu nachlassender Elastizität der Haut (der Hautturgor ist verringert).
- Eine geringere Anzahl an Melanozyten ist in der Alterhaut vorzufinden, daher ist sie vor UV-Strahlung weniger geschützt.
- Die Projektionen zwischen Epidermis und Dermis flachen ab, dadurch erhöht sich das Risiko von Hautrissen.
Ernährungszustand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Reparation chronischer Wunden ist ein energieintensiver Prozess. Eine bedarfgerechte Zufuhr von Nährstoffen ist für den Ablauf der physiologischen Stoffwechselvorgänge zur Wundheilung von elementarer Bedeutung! Laut DG-Empfehlung liegt der Kalorienbedarf einer über 65 Jahre alten Person bei durchschnittlich 1800- 1900 Kcal am Tag; das sind z.B. 2 kg Kartoffeln oder 3 Liter Milchsuppe, 2,4 kg Joghurt, 1,2 kg Rindfleisch. Der Proteinbedarf eines gesunden normalen Menschen liegt bei ca. 0,8 pro kg/KG pro Tag. Der Proteinbedarf eines Menschen mit einer Wunde, bei der ständig Protein durch Wundexsudat verloren geht (von beispielsweise 50 mg pro Tag), liegt bei 1,25 - 1,5 pro kg/KG pro Tag.
Deshalb ist eine ausgewogene Ernährung bei Personen mit Wunden wichtig. Zu dieser gehören:
- Makronährstoffe:
- Lipide (Fette)
- Proteine (Eiweisse)
- Kohlenhydrate (Stärke/Zucker)
- Makronährstoffe dienen in der Wundheilung als Wachstumsfaktoren zur Energiebereitstellung und Stoffwechselaktivität.
- Mikronährstoffe:
- Vitamine
- Mineralstoffe
- Mikronährstoffe dienen in der Wundheilung zur Kollagensynthese, Immunantwort und zum Zellwachstum; die Gerinnung wird davon beeinflusst sowie der Sauerstofftransport.
Einige Nährstoffe sollten näher erläutert werden:
- Zink:
- ist an den Stoffwechselvorgängen der Wundheilung beteiligt
- Zinkmangel verzögert den Wundverschluss und vermindert die Zugstärke der Wunde.
- 15 bis 20 mg pro Tag Zink sollte ein Patient mit einer chronischen Wunde zu sich nehmen.
- fast alle Dekubituspatienten leiden unter Zinkmangel
- Zinkreiche Nahrungmittel sind z.B. Austern (85,0 mg in 100 g); Kartoffeln werden aber sicher eher als Zinklieferant verwendet.
- Vitamin C:
- erhöhter Verbrauch zur Kollagenbildung, festigt die Struktur des Gewebes
- Verluste durch Wundexsudat
- schützt vor freien Radikalen
- verbessert Eisenaufnahme
- Vitamin-C-reiche Nahrungsmittel sind u.a. Sanddornbeeren, schwarze Johannisbeeren, Broccoli, Stachelbeeren.
Ernährungsstatus Das Deutsche Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik geht davon aus, dass z.Zt. 80% der älteren Patienten in Kliniken und Heimen fehlernährt sind. Häufig liegt eine Mangelernährung bzw. Malnutrition vor. Einseitige Ernährung oder ein hoher Bedarf an Nährstoffen wie z.B. bei einer Wunde oder bei Tumorerkrankungen führt daher zum Mangel an Mikronährstoffen und/oder Makronährstoffen; Wunden heilen dann sehr langsam oder gar nicht. Der Mangel an Nährstoffen muß so schnell wie möglich behoben werden. Eine Umstellung der Ernährung reicht oftmals nicht aus und es muss medikamentös substituiert werden.
- Adipositas: führt zu Minderdurchblutung des Gewebes und zur Gefahr der Wunddehiszens
- Kachexie und Menschen mit einem BMI von unter 18,5 neigen zu Dekubitalulcera, insbesondere wenn damit auch noch Immobilität einhergeht.
Immunstatus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Der Immunstatus kann bei Tumorpatienten während einer Zytostatikatherapie beeinträchtigt sein. Auch postoperativ, bei bestehendem Virusinfekt, Mangelernährung, psychischem Stress ist das Risiko einer Wundinfektion höher.
- Die ständige Anwesenheit von Bakterien hemmt die Wundheilung, weil die Wunde ständig in der Entzündungsphase ist.
Begleiterkrankungen (akute oder chronische)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Folgende Erkrankungen können die Wundheilung störend beeinflussen:
- Diabetes mellitus
- Bindegewebserkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis
- Lebererkrankungen (durch die Beeinflussung der Gerinnung)
- AVK
Arzneimittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Zytostatika
- Immunsuppressiva
- Antikoagulantien (abhängig von Dosis und Dauer)
- Glucokortikoide
Psychozoziale Faktoren / Lebensweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wundheilungsfördernde Faktoren:
- angemessene, hygienische Wohnverhältnisse
- zuverlässige Betreuung, soziale Einbindung
- positive Einstellung zu den erforderlichen Maßnahmen
eher negativ wirkende Faktoren:
- Rauchen: Nikotin fördert Vasokonstriktion und Vitamin C- Mangel
- Stress: die Ausschüttung von Cortisol reduziert die Anzahl der zirkulierenden Lymphozyten, dadurch erhöhte Infektionsgefahr
- Schmerzen: Schmerz beeinflußt die Psyche, verursacht wieder Stress, beeinträchtigt die Bewegungsfähigkeit
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- www.wundplattform.com- Zielsetzung: Wir vernetzen Wissen und Kompetenz für Betroffene & Angehörige, MedizinerInnen, Pflegepersonen und Andere mit dem Wundmanagement in Verbindung stehende Berufsgruppen.
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Lücken (wer kann sie hier schließen?)
Hinweis: Alle Artikel dieser Kategorie basieren auf Texten, die aus der [[1]] PflegeWiki.de übernommen wurden. Eine Liste der ursprünglichen Autoren befinden sich auf den Versionsseiten der jeweiligen Artikel dort. |