Gefühle

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Gefühle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inhaltsverzeichnis 1 Grundemotionen 2 Wie entstehen Gefühle? 3 Spiegelneurone 4 Sind Gefühle vernünftig? 5 Gibt es eine emotionale Freiheit? 6 Sind Gefühle authentisch? 7 Siehe auch 8 Literatur

Grundemotionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der deutsche Hirnforscher Ernst Pöppel (Zum Entscheiden geboren, 2008) spricht von sechs Grundemotionen, die bei allen Menschen und in allen Kulturen gleich sind und von allen verstanden werden: Angst, Trauer, Ärger, Ekel, Freude, Überraschung. Sie sind genetisch programmiert und gehören zur Grundausstattung.

Emotionen erfüllen zwei biologische Funktionen: Auf einen äußeren Reiz angemessen reagieren zu können (z.B. Fluchtreaktion), und sie sorgen für die Regulation des inneren Zustandes, meint der Neurowissenschaftler Antonio Damasio. Wir erleben alle dieselben Emotionen, aber jeder erlebt sie anders. Der eine freut sich verhalten, der andere lautstark. Der eine weint am Grab, der andere schaut nur betroffen.

Wie entstehen Gefühle?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Hirnforscher Gerhard Roth (Fühlen, Denken, Handeln, 2003):

Gefühle im weitesten Sinne entstehen durch die Aktivität von Zentren des limbischen Systems: Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse wie Schlafen, Hunger, Durst, Schmerz, Lust. Unser bewusstes Ich hat nur begrenzte Einsicht in die eigentlichen Antriebe unseres Verhaltens. Die unbewussten Vorgänge in unserem Gehirn wirken stärker auf die bewussten Vorgänge ein als umgekehrt. Genetisch oder bereits vorgeburtlich bedingte Charakterzüge machen knapp die Hälfte unserer Persönlichkeit aus. Hinzukommen Merkmale, die nach der Geburt und in ersten drei bis fünf Jahren festgelegt werden. Besonders wichtig erscheint dabei die Interaktion mit den Bezugspersonen. Entsprechend können frühtraumatische Erlebnisse wie die Trennung von der Mutter, Vernachlässigung oder Missbrauch bleibende psychische Schäden hinterlassen. Zu bedenken dabei ist: Das menschliche Gehirn verfügt über eine erhebliche Toleranz was Bindung und Betreuung angeht. Negative Erfahrungen haben nicht bei allen Menschen längerfristige Folgen.

Spiegelneurone[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vittorio Gallese, Neurophysiologe von der italienischen Universität Parma, hat den Mechanismus herausgefunden, wie man mit dem Gehirn die Gedanken und Gefühle anderer lesen kann. Er gilt zusammen mit Giacomo Rizzolatti als Entdecker der Spiegelneurone (das Neuron = Nervenzelle), eine neue Gruppe Nervenzellen. Wenn das Tier (Affe) oder der Mensch die Bewegung eines anderen beobachtet, spiegeln diese Neuronen das Verhalten des Gegenübers. Ein Teil unseres Gehirns schwingt sozusagen das Verhalten des Gegenübers. Deshalb nennen wir sie Spiegelneurone.

Mittels bild gebender Verfahren wie der Kernspintomographie finden die Wissenschaftler heraus, dass nicht nur die Bewegungen anderer Personen unser Hirn in Resonanz versetzen, sondern auch deren Emotionen. Die Forscher zeigen den Testpersonen Videoaufnahmen von Menschen, die an einer stinkenden Substanz riechen. Obwohl die Testpersonen keinerlei Geruch ausgesetzt sind, aktivierte allein der Anblick des Films das Ekelzentrum im Gehirn – so als hätten sie die Situation persönlich erlebt. Bei Schmerz ist das nicht anders: In gewisser Weise empfinden Menschen also ungewollt den Schmerz anderer Menschen mit. Der Begriff „Mitleid“ wird durch die Hirnforschung im Wortsinn bestätigt.

Spiegelneurone ermöglichen es Menschen, sich in andere hineinzuversetzen (Einfühlung). Sie überwinden die Barriere zwischen uns und unserem Gegenüber. Erst dadurch, dass wir die Gefühle anderer, wie Ekel, Schmerz, Freude, miterleben, können wir sie unmittelbar verstehen. Danach ist Empathie kein abstraktes kognitives Konstrukt, sondern fest in unserem Gehirn verankert.

Kein Geschöpf imitiert so viel und mühelos wie der Mensch. Entsprechend haben wir mehr Spiegelneurone als alle anderen Tiere. Ein Schimpanse muss fünf Jahre lang zusehen, bis er selbst eine Nuss aufbrechen kann, indem er einen Stein als Hammer und einen anderen als Amboss benutzt. Ein Kleinkind lernt das in ein paar Minuten.

Der Mechanismus der Spiegelneurone bietet uns einen direkten Zugang in die Innenwelt der anderen. Nur Autisten sind zu dem Umweg gezwungen, dass sie immer erst über den andern nachdenken müssen. Autisten unterscheiden sich von anderen Menschen dadurch, dass sie sich nicht einfühlen können. Darum müssen sie stets überlegen, was in ihrem gegenüber vorgehen mag – das ist anstrengend und geht allzu oft schief. Bei Autisten ist der Spiegelmechanismus gestört. Chamäleon-Effekt, nennt es der Sozialpsychologe John Bargh. Immer wenn Menschen im Austausch mit anderen sind, tendieren sie dazu, die Manirismen des Gegenübers zu übernehmen. Eine Ursache dafür mag sein, dass es die Kommuikation zwischen ihnen vereinfacht. Das könnte eine evolutionäre Erklärung sein. Der Neurochirurg William Hutchison von der Universität Toronto machte einen neurochirurgischen Eingriff bei einer Frau mit schweren Depressionen. Als er sie in den Finger gestochen hatte, konnte er mit Hilfe des bild gebenden Verfahrens der Hirnspintomographie sehen, dass die Neuronen in jenem Bereich feuerten, der für die Schmerzwahrnehmung zuständig ist. Anschließend stach Hutchison sich selbst in den Finger. Die Frau sah das und wieder feuerten dieselben Neuronen wie vorher, als er der Patientin in den Finger gestochen hatte. Damit scheint die neuronale Entsprechung der Empathie erbracht zu sein.

Sind Gefühle vernünftig?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gefühle sind vernünftig, schreibt der amerikanische Philosoph Robert Solomon. Rational heiße auch, mit Begriffen arbeiten, strategisch entwerfen und sich auf neue Situationen einstellen können. In diesem Sinne, so Solomon, seien alle Gefühle rational. In einer Kultur, die ´kühles´ Verhalten oder stereotypische Reaktionen zu Paradigmen der Rationalität erklärt, müssen Gefühle als unvernünftig gelten, meint Solomon. Er ist überzeugt, dass wir unsere Gefühle selbst erzeugen und insofern auch dafür verantwortlich sind. Emotionen sind ihrem Wesen nach subjektiv und ichbezogen, so Solomon, aber nicht narzistisch oder egoistisch. Alle Gefühle orientieren sich an der Zukunft: Was soll ich jetzt machen? Solomon schreibt:

- Ärger will strafen, fällt ein Urteil

- Hass verletzen

- Eifersucht will wegnehmen

- Traurigkeit wiederherstellen

- Verlegenheit will sich verbergen.

Gibt es eine emotionale Freiheit?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die "Neurolinguistischen Programmierer" (NLP) gibt es eine Welt mit emotionaler Wahlfreiheit. Sie sind davon überzeugt, dass wir die Freiheit besitzen, unsere Gefühle frei zu wählen und Gefühle in den Dienst unserer persönlichen und beruflichen Ziele setzen können. Man könne sich selbst neu programmieren, zum Beispiel durch mentales Training.

Wer träumt nicht davon, emotional immer angemessen reagieren zu können: Auf Beleidigungen, Hilflosigkeit, Wut. Wer möchte nicht mit seinen Gefühlen zurecht kommen: Mit Angst, Schüchternheit, Einsamkeit, Schuldgefühlen? Die NLP-Leute glauben, dass sie Gefühle beliebig auswählen, verändern und einsetzen können. Sie sind überzeugt, dass jeder von uns ein Leben in emotionaler Freiheit führen könne. Voraussetzung sei nur, die „Struktur der Emotionen“ zu kennen, dann sei man in der Lage, für jede Situation das richtige Gefühl zu erzeugen.

„Was für eine Welt wäre es“, schreibt der NLP-Trainer Cameron Bandler, „wenn jeder darüber entscheiden könnte, wie er seine Gefühle ausdrücken möchte? Es wäre eine Welt, in der Menschen auf die wirklichen anstatt auf die vermuteten Bedürfnisse und subjektiven Erfahrungen reagieren würden. Wir hätten täglich die wohltuende Erfahrung, von unseren Angehörigen, Freunden und Kollegen verstanden zu werden.“

Noch ein amerikanischer Traum.

Sind Gefühle authentisch?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wir können lernen, emotionales Verhalten, das wir im Nachhinein bereuen würden, zu dämpfen oder zu überbrücken, unser Handeln und Reden zu beherrschen und zu mäßigen. Wir können aber auch lernen, nicht zu sehr der Selbstkontrolle zu unterliegen und nicht gefühllos zu wirken, wenn das unser Problem sein sollte“, schreibt der amerikanische Psychologe Paul Ekmann (Gefühle lesen, 2007).

Die Annahme, dass emotionales Verhalten ein Zeichen persönlicher Authentizität sei, ist falsch. Sie beruht auf der Vorstellung, dass Gefühle und Gefühlsäußerungen untrennbar miteinander verbunden sind. Manche meinen, man deformiere seine Gefühle, wenn man sie unterdrückt. Nur bei Kindern bilden Gefühl und Ausdruck eine Einheit. Erwachsene können ihre Gefühle kontrollieren ohne sie dabei zu unterdrücken. Wenn sie in der Lage sind, das innere Erleben vom äußeren Verhalten zu trennen, dann habe das nichts mit Falschheit zutun. Erst die Entkoppelung ermögliche ein komplexes Sozialverhalten, meint der Psychologe Manfred Holodynski. Er vertritt er die Ansicht, dass Emotionen nicht angeboren sind; Säuglinge müssen sie erlernen. Das Kleinkind lerne mit seinem Gefühlsausdruck, seine Umwelt zu steuern: Es schreit und wird auf den Arm genommen oder bekommt etwas zu essen. Welchen Sinn aber hat die Trennung von subjektivem Empfinden und sichtbarem Ausdruck, fragt Holodynski. Seine Antwort lautet: Sie erweitert den Handlungsspielraum.

Theatralische Tränen oder hysterische Freudentänze sind somit kein Zeichen für Authentizität. Und für emotionale Kompetenz schon gar nicht. Umgekehrt gilt allerdings auch: Zurückhaltung ist kein Hinweis auf eine eigentliche vorhandene emotionale Tiefe, die von großer persönlicher Reife begleitet wird. Zurückhaltung kann auch einfach bedeuten, dass unter der Oberfläche kaum Emotionen empfunden werden. Da Gefühle Teil der von Interessen geleiteten Kommunikation sind, sagt das Ausdrucksverhalten vor allem etwas über die Wünsche und Ziele einer Person. Besonders emotionales Verhalten ist dann vor allem ein Anzeichen dafür, dass eine Person ihre Interessen für berechtigt hält. Das Gefühl, im Recht zu sein, ist aber ein Ergebnis der moralischen Sozialisation, in welche die Werte einer Gesellschaft einfließen. Insofern sagen Ereignisse oder Themen auf die Menschen besonders emotional reagieren, weniger etwas über die Individuen, dafür mehr über die Gesellschaft, in der sie leben.(Süddeutsche Zeitung (23.3.2008) „Das innere Gefühl“)

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gefühl

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bauer, Joachim: Warum ich fühle, was du fühlst – Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, Hoffmann und Campe, Hamburg 2006

Damasio, Antonio: Decartes Irrtum – Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, dtv, München 1998

Ekman, Paul: Gefühle lesen, Elsevier, München 2007

Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, Bertelsmann, München 2007

Holodynski, Manfred: Emotionen – Entwicklung und Regulation, Springer, Berlin 2005

List, Karl-Heinz:: Personalentscheidungen – Warum das Bauchgefühl ein guter Ratgeber sein kann, GRIN Verlag, München 2008

Moskowitz, Michael, Erkennen, was andere denken und fühlen, Pendo-Verlag, München 2008)

Pöppel, Ernst: Zum Entscheiden geboren, Hanser, München 2008

Roth, Gerhard: Fühlen, Denken, Handeln, Suhrkamp, Frankfurt 2003

Salomon, Robert: Gefühle und der Sinn des Lebens, Zweitausendeins, Frankfurt 2000

Traufetter, Gerald: Intuition – Die Weisheit der Gefühle, Rowohlt, Reinbek 2007