Nationale Expertenstandards

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Ein Expertenstandard ist ein Instrument der Qualitätsentwicklung auf nationaler Ebene. Er erklärt, wie Pflegestandards in den einzelnen Einrichtungen des Gesundheitswesens bzw. der Altenhilfe aufgebaut sein sollen / können.

Expertenstandards werden in Ländern mit einer zentralen Pflegekammer auch von dort aus (weiter-)entwickelt und ausgegeben (Beispiele: xxx ). In Deutschland setzte die Entwicklung von Expertenstandards erst verzögert vor kurzem unter Federführung des Deutschen Netzwerks zur Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) und teilfinanziert mit Bundeszuschüssen ein. Dies ist zu einem großen Teil die Reaktion auf die Entwicklung verschiedenster Pflegestandards in den 80er und 90er Jahren quer durch die Bundesrepublik. Diese Standards waren zum Teil im Aufbau und den Aussagen zu einem Thema sehr unterschiedlich. Adelheid von Stösser veröffentlichte 1992 ein Buch zu dieser Situation und der idealtypischen Vorgehensweise bei der Entwicklung von Pflegestandards. Kritik an diesem Vorgehen wurde aus unterschiedlichsten Standpunkten geäußert (siehe Stösser-Standards). Die Kernfrage, wie die Pflegekräfte der einzelnen Einrichtung einen Konsens finden, löste diese mehr akademische Debatte gar nicht. Mit den Expertenstandards wird ein neuer Weg beschritten. Die Entwicklung der ersten, fünf, deutschen Expertenstandards der neuen Generation wird vorraussichtlich im Jahr 2007 abgeschlossen sein.

Im Gegensatz zu Pflegestandards aus der Praxis sollen Expertenstandards mit wissenschaftlichen Mehoden erarbeitet und überprüft werden. In der Anfangsphase der Entwicklung arbeiten zunächst ausgewiesene, pflegerische Expertinnen und Experten in dem jeweiligen Themengebiet und eine pflegewissenschaftliche Forschungsgruppe an dem Standard zusammen. Darauf folgt die professionelle Abstimmung in einer Großveranstaltung (Konsentuierung). Sie wird in der Nacharbeit der Forschungsgruppe ausgewertet und der Standard, wenn dies notwendig ist, entsprechend geändert. Darauf wird der Standard in verschiedenen Einrichtungen eingeführt und getestet und die Veröffentlichung erfolgt.

Da auch pflegerisches Wissen jedoch momentan ungefähr eine Halbwertszeit von fünf Jahren aufweist oder konkrete Untersuchungen noch gar nicht vorliegen, müssten Expertenstandards relativ oft überarbeitet werden. Konstruktive Kritik ist somit erwünscht und angebracht. Beispielsweise könnte beim Expertenstandard Dekubitusprophylaxe der Gebrauch einer Einschätzungsskala kritisiert werden. Solche Skalen geben nur darüber Auskunft, ob eine Dekubitusgefahr besteht oder nicht. Wünschenswert wäre die Entwicklung von Einschätzungsinstrumenten, die die Art und den Schweregrad bestimmen und davon abgeleitet einen Hinweis über geeignete Maßnahmen liefern. Andererseits wird dabei deutlich, dass gute Expertenstandards nur entwickelt werden können, wenn auch wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem Bereich der Pflege, der Thema des Standards ist schon vorliegen.

Nationale Expertenstandards

bereits vorhandene Nationale Expertenstandards (NES) der Pflege:

in Arbeit sind:

  • Expertenstandard Schmerzmanagement bei chronisch nicht malignen Schmerzen (voraussichtlich 2008 - 2010)
  • Expertenstandard Bedürfnis- und bedarfsgerechte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme bei pflegebedürftigen Menschen (voraussichtlich 2008 - 2010)
  • Expertenstandard Pflege von demenziell Erkrankten (voraussichtlich 2009 - 2011)
  • Expertenstandard Medikamentenmanagement (voraussichtlich 2010 - 2012)

Entwicklung

Datei:Saeulen Standards01.jpg

Die fünf Säulen eines Standards bestehen aus:

  1. Expertenarbeitsgruppe
  2. Literaturanalyse
  3. Konsensuskonferenz
  4. Implementierung
  5. Aktualisierung

Die Entwicklung der Expertenstandards wird im Folgenden am Beispiel des Expertenstandard Dekubitusprophylaxe erläutert.

Expertenarbeitsgruppe

Vertretung möglichst aller Pflegeberufe, Praxisfelder und Pflegewissenschaft. In diesem Falle wurden Personen mit besonderer Expertise zur Dekubitusprophylaxe ausgewählt.


Literaturanalyse

Die Literaturanalyse dient der Darstellung der Evidenz nationaler und internationaler Forschung zum Thema (Dekubitusentstehung und -prophylaxe).

Konsensuskonferenz

In der Konsensuskonferenz (auf dt: Treffen, um einen gemeinnsamen Willen, eine Übereinstimmung oder Ansicht zu etwas zu finden) werden die von der Expertenarbeitsgruppe erstellten Punkte diskutiert, um einen möglichst gemeinsamen "Nenner" zu finden. Die Diskutanten setzten sich aus Fachvertretern aus Wissenschaft und Praxis zusammen.

Teilnehmer (und Beobachter) waren Mitglieder der Ärztekammer, Juristen, Politiker, Kostenträgern und Fachgesellschaften

Implementierung

Unter wissenschaftlicher Begleitung werden die Standards modellhaft in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung eingeführt. Das Ziel ist die Überprüfung der Akzeptanz und Praxistauglichkeit der Standards.


Aktualisierung

Nach spätesten 3 Jahren werden die Standards im Hinblick auf ihre Aktualität überprüft. Fragestellungen können sein:

  • gibt es neue Literatur?
  • gibt es neue Forschungsergebnisse?


Warum die Expertenstandards es der Praxis so schwer machen, sie anzuwenden

  • Sie wollen und können nicht die Umsetzung der geforderten Prophylaxe in den einzelnen Einrichtungen festlegen
  • Pflege tut sich mit den verschiedenen Begriffen, die seit wenigen Jahren zum Teil identisch, zum Teil ähnlich und zum Teil widersprüchlich sind, schwer
  • Die Expertenstandards erfüllen (noch) nicht die vom DNQP selbst erhobenen internationalen Standards
  • Sie sind nicht evidenzbasiertes Wissen sondern weisen (zum Teil) den Weg dorthin
  • Empfehlungen sind nicht immer eindeutig formuliert (Das liegt zum Teil an den mangelhaften Instrumenten, die bislang genutzt werden (müssen))
  • Ihr Gültigkeitsanspruch für alle Arten von Pflegeeinrichtungen macht es zusätzlich schwer, konkrete Empfehlungen auszusprechen
  • Die Texte stehen nicht kostenlos zur Verfügung. Ihre Auslegung und Schulungsangebote in diesem Zusammenhang werden zum Teil von beteiligten "Experten" kommerziell genutzt
  • Hilfsmittel zur Einführung der Expertenstandards in die Praxis wurden vom DNQP nicht erstellt
  • Die Gültigkeitsdauer der Expertenstandards ist nicht absehbar. Wartet eine Einrichtung ab, kann sie evtl. bereits mit einer Neuauflage starten. Oder die Expertenstandards setzen sich gar nicht durch und der vermiedene Aufwand zu ihrer Einführung rentiert sich doppelt.

All diese Kritikpunkte oder Verbesserungsvorschläge sollten aber kein Argument dafür sein, sich inhaltlich nicht mit den Expertenstandards zu beschäftigen.

Übernahme auf nationale Ebene

Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz schreibt im § 113a des SGB XI "Expertenstandards zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege" vor, dass für die Pflege verbindliche Qualitätsstandards festgelegt werden sollen. 2008 haben sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen und der GKV-Spitzenverband auf ein Vorgehen geeinigt. Die künftigen Standards werden für alle Pflegeeinrichtungen in Deutschland verbindlich. Auf Vorschlag der beteiligten Institutionen soll die Entwicklung eines Standards ausgeschrieben werden. Das beauftragte pflegewissenschaftliche Institut erarbeitet danach einen Entwurf. Dieser wird dann mit den verschiedenen Beteiligten diskutiert. Dabei sollen auch die Betroffenen ebenso wie die Fachöffentlichkeit einbezogen werden. Danach soll zunächst eine modellhafte Implementierung folgen. Anschließend entscheiden die Vertragspartner gemeinsam über die (Art der) Einführung des Expertenstandards. Damit wird er für alle angeschlossenen Institutionen als Mindeststandard verbindlich.

Die Vereinbarung muss erst noch durch das Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend genehmigt werden. (Die bereits bestehenden Experten-Standards sind von dieser Vereinbarung nicht betroffen. Sie könnten allerdings auch in das System aufgenommen werden.)

siehe auch

  • Im Unterschied dazu erheben Pflegestandards nicht den Anspruch der allgemeinen Gueltigkeit. Sie gelten fuer eine Einrichtung. Dort wurde ihre Verbindlichkeit vereinbart und den ausgebildeten Pflegepersonen die Bedeutung der einzelnen Teile des Standards bekannt gemacht. Sie sollten auf bekannten und bisher unwiderlegten Erfahrungswerten basieren und (wenn es etwasentsprechendes gibt) auf einer Leitlinie oder einem (Nationalen) Expertenstandard basieren. Der Grad der ueberpruefbaren Wirksamkeit ist oft sehr unterschiedlich.
  • Leitlinie z. B. bei evidence based medicine (o. a.)
  • Praxisleitlinien
  • Richtlinien
  • Pflegeexperten

Literatur

  • Rolf Höfert, Thomas Meißner: Von Fall zu Fall — Ambulante Pflege im Recht. Rechtsfragen in der ambulanten Pflege von A-Z. 2008. Springer, Berlin. ISBN 978-3-540-75598-2
  • Gabriele Meyer, Almuth Berg u. a.(2006): Chancen für die Qualitätsentwicklung nutzen. Kritische Stellungnahme zu den Expertenstandards in der Pflege von Mitgliedern des Fachbereiches Pflege und Gesundheitsförderung des Deutschen Netzwerkes Evidenzbasierte Medizin.In: Pflegezeitschrift 59:1:34-38 (Verlag Kohlhammer; Text nicht online)
  • Moers, M. & Schiemann, D. (2004): "Expertenstandards in der Pflege - Vorgehensweise des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) und Nutzen für die Praxis" in Pflege & Gesellschaft 9(3) (PDF)

Weblinks

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