Nomenklatur
Die Nomenklatur ist in der Anatomie die verbindliche Namensvergabe an Organe, Knochen, Gewebe etc. Sie wurde entwickelt, damit es Fachkundigen möglich ist, mit denselben Begriffen immer dieselben Körperteile der Lebewesen zu bezeichnen. Seit der Antike (Araber, Griechen, Römer) versuchen sich die Menschen an diese allgemeine Namensgebung zu halten und sie nur vorsichtig weiter zu entwickeln. Deswegen gibt es nur gelegentlich mehrere Bezeichnungen für dieselben Körperteile. Zusätzlich können Teile des Körpers, besonders Muskeln und mehrfach unterteilte Organe, ausnahmsweise unterschiedlich aufgeteilt werden. So wird zum Beispiel der Quadrizeps in einigen Nomenklaturen als Sammelbezeichnung für vier Muskeln definiert, während in anderen, neueren Nomenklaturen derselbe Quadrizeps als ein einziger Muskel mit vier Muskelköpfen gilt (International Anatomical Terminology).
Die anatomischen Nomenklaturen verwenden die lateinische Sprache. Gelegentlich sind darin arabische oder griechische Wortwurzeln enthalten. Dies hat zum einen historische Gründe, da Latein im Mittelalter die generelle Universitätssprache war. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Sprache heute fast keinen Veränderungen mehr unterliegt. Zudem sind für alle Wissenschaftler, egal welcher Muttersprache, die Voraussetzungen gleich. In jüngerer Zeit unterliegt das medizinische Latein dennoch einigen Veränderungen. Sie liegen an der großen Bedeutung der Englischen Sprache in den modernen Wissenschaften begründet. Insbesondere die Diphthonge „oe“ und „ae“ werden in der modernen Schreibweise einfach durch „e“ ersetzt (z. B. Taenia - neu: Tenia, Oesophagus - neu: Esophagus).
Es gibt heute etwa 8000 anatomische Bezeichnungen, die aus ca. 600 Grundbegriffen zusammengesetzt sind (400 lateinischer, 200 griechischer Herkunft). Die Bezeichnungen werden unabhängig ihrer Herkunft in der Regel wie lateinische Formen behandelt und im Satzbau nach lateinischen Regeln verändert. Die übliche Aussprache entspricht dem spätlateinischen Gebrauch: c wird vor hellen Vokalen (e, i, ae, oe, y) wie z, sonst wie k gesprochen.
Nomenklaturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Um die Varianten zu vereinheitlichen wurden mehrere Regelwerke aufgestellt. Im Zweifel ist grundsätzlich die neuere Zuordnung zu verwenden, aber gelegentlich stößt man auch auf ältere Definitionen.
Die alten humananatomischen Nomenklaturen sind:
- Basler Nomina Anatomica (BNA) von 1895
- Jenaer Nomina Anatomica (JNA) von 1935
- Pariser Nomina Anatomica (PNA) von 1955
Die Terminologia Anatomica von 1998 (= International Anatomical Terminology) gilt aktuell.
Häufige Abkürzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bei einigen häufig verwendeten Strukturen wird der erste Namensteil abgekürzt:
- A. für Arterie (Arteria),
- Art. für Gelenk (Articulatio),
- For. für Loch (Foramen),
- Ln. für Lymphknoten (Lymphonodus),
- M. für Muskel (Musculus),
- N. für Nerv (Nervus),
- V. für Vene (Vena) und dergleichen mehr.
Diese Abkürzungen werden häufig auch mit Kleinbuchstaben geschrieben.
Wenn mehrere Muskeln, Venen, Lymphknoten etc. gemeint sind wird der letzte Buchstabe der Abkürzung verdoppelt: Mm. sind also „mehrere Muskeln“, Vv. bedeutet „mehrere Venen“, Lnn. „mehrere Lymphknoten“.
Weitere Namenskonventionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
All diese Regelwerke legen übereinstimmend fest, dass anatomische Namen immer aus mindestens zwei Teilen bestehen, oft aus drei, manchmal sogar aus vier. Diese Teile sind nach einem einfachen System zusammengesetzt. Einteilige Namen gibt es lediglich für übergeordnete Regionen (Caput Kopf, Collum Hals, Thorax Brust usw.) und wichtige Organe (Cor Herz, Cerebrum Gehirn u.a.)
Der erste Namensteil nennt die „Baugruppe“ (zum Beispiel Knochen - Os) oder charakterisiert die „Bauform“ (zum Beispiel Rinne - Sulcus). Der zweite Namenteil beschreibt diese nun näher, indem sie angibt, welche Form, Lage, Länge oder Farbe es hat oder zu welchem Organ es gehört. Wenn diese beiden Namensteile immer noch nicht eindeutig sind werden zusätzliche Namensteile angehängt, die weitere Orts-, Größen oder Zahlenangaben (der Vordere, der Größte, der Zweite...) enthalten.
Körperteil, Ort, Richtung, Größe…[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Lateinisch | Kürzel | Deutsch |
---|---|---|
Angulus | Winkel, Ecke | |
Apertura | Öffnung | |
Arcus | Bogen | |
Arteria | A. | Arterie (Ader, die vom Herzen weg führt) |
Articulatio | Art. | Gelenk |
Bursa | B. | Schleimbeutel |
Canalis | Kanal | |
Caput | Kopf (als Form, nicht als Schädel; zum Beispiel: Gelenkkopf) | |
Cavitas | Höhle | |
Collum | Hals (z.B. bei Knochen) | |
Cornu | Horn, Fortsatz | |
Corpus | Körper, Schaft (bei Knochen) | |
Crista | Kamm, Vorsprung, verstärkter Rand | |
Ductus | Gang, Röhre | |
Fascia | Faszie (bindegewebige Hülle um Muskeln) | |
Fossa | Grube, Vertiefung | |
Foramen | For. | Loch |
Glandula | Gl. | Drüse |
Gyrus | Windung, v.a. Hirnwindung | |
Hiatus | Durchtrittstelle, Spalte, Öffnung | |
Lamina | Häutchen, Schicht | |
Ligamentum | Lig. | Band |
Lobus | Lappen (Großhirnlappen, Lungenlappen) | |
Margo | Rand | |
Musculus | M. | Muskel (eigentlich: Mäuschen) |
Nervus | N. | Nerv |
Nodus | Nd. | Knoten |
Os | Knochen | |
Pars | Teil, eins von mehreren | |
Plexus | Geflecht | |
Processus | Proc. | Vorsprung, Fortsatz |
Radix | Rad. | Wurzel, Ursprung |
Ramus | R. | Ast, Zweig |
Septum | Wand, Trennung | |
Sinus | Ausbuchtung, Vertiefung, Höhle, Nasennebenhöhlen, Erweiterungen von Venen (Sinus cavernosus u.a.) | |
Sulcus | Furche, Rinne | |
Tendo | Sehne | |
Tuberculum | Tub. | Höcker, Wulst |
Vas | Gefäß, Ader | |
Vena | V. | Vene (Ader, die zum Herz hinführt) |
Lateinisch | Kürzel | Deutsch |
---|---|---|
abdominalis | zum Bauch (Abdomen) gehörig | |
acromialis | zur Schulterhöhe (Acromion) gehörend | |
brachialis | am Oberarm (Brachium) | |
costalis | an den Rippen (Costa, intercostal = zwischen den Rippen) | |
cranialis | zum Schädel (Cranium) gehörend oder zeigend, oberhalb (schädelwärts) gelegen | |
cysticus | zur Gallengangssystem gehörend | |
dorsalis | am Rücken (Dorsum), rückenwärts gelegen, gilt auch für Hand- und Fußrücken | |
femoris | am Oberschenkel (Femur) | |
fibularis | zum Wadenbein (Fibula) gehörend | |
gastricus | zum Magen (Gaster) gehörend | |
hepatis | an oder in der Leber (Hepar, griechisch) | |
iliacus | am oder im Darmbein (Os ilium) | |
lienalis | zur Milz (Lien) gehörend | |
palmaris | zur Handfläche (Palma manus) gehörend | |
pectoralis | an der Brust (Pectus) | |
peroneus | am Wadenbein | |
plantaris | zur Fußsohle (Planta pedis) gehörig | |
radialis | an der Speiche (Radius) | |
pulmonalis | an oder in der Lunge (Pulmo) | |
renalis | an oder in der Niere (Ren) | |
thoracicus | am oder im Brustkorb (Thorax) | |
tibialis | am Schienbein (Tibia) | |
transversus | quer verlaufend, hindurch strebend | |
ulnaris | an der Elle (Ulna) | |
vertebralis | zum Wirbel (Vertebra) |
Lateinisch | Kürzel | Deutsch |
---|---|---|
anterior | ant. | vorderer |
ascendens | aufsteigend | |
caudalis | unten, schwanzwärts | |
cranialis | oben, kopfwärts | |
descendens | absteigend | |
dexter | dext. | rechts (vom Patienten aus, nicht vom Betrachter!) |
dorsalis | dors. | hinten, am Rücken, rückenwärts |
externus | ext. | außen, an der Oberfläche |
inferior | inf. | unterer |
internus | int. | innen, im Körper |
lateralis | lat. | seitlich, außen |
longitudinalis | in Längsrichtung | |
maximus | max. | der Größte |
medialis | med. | innen, zur Mitte hin |
medius | mittlerer, zwischen zwei anderen | |
minimus | min. | der Kleinste |
posterior | post. | hinterer |
profundus | prof. | tief |
sinister | sin. | links (vom Patienten aus, nicht vom Betrachter!) |
superior | sup. | oberer |
superficialis | superf. | oberflächlich |
ventralis | ventr. | vorn, am Bauch, bauchwärts |
Hinweis: Die in dieser Tabelle genannten lateinischen Bezeichnungen kommen in mehreren Formen vor, abhängig vom grammatischen Geschlecht des Substantivs der Wortverbindung. Oben ist nur die männliche Form genannt. So lautet die männliche Form von „links“ sinister, die weibliche sinistra, die sächliche sinistrum. Für die richtige Übersetzung reicht es, wenn das gesuchte Wort dem Wort in der Tabelle bis auf die Endung gleicht.
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Ian Whitmore (Hrsg.): Terminologia Anatomica. International Anatomical Terminology. Stuttgart: Thieme 1998. ISBN 3-13-114361-4
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