Essay:Es wird eng in der Pflegebranche

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Vorlage:Essay

Die Situation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gesundheit hat sich nach Meinung des Chefarztes und Bestseller-Autors Manfred Lütz zu einer eigenen Religion entwickelt. ”Gesundheitsratgeber sind die heiligen Schriften, Kliniken die Kathedralen und Ärzte die Halbgötter in Weiß."

Die Realität sieht anders aus: Unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen agieren auf einem globalen Markt, der von einer kritischen demografischen Entwicklung geprägt, auch neues Denken erfordert. Denn schon heute wird auch das Arbeitsumfeld in unseren Kliniken und Pflegeeinrichtungen durch die Vielfalt in Alter und Geschlecht, Herkunft und durch unterschiedliche kulturelle Sichtweisen bestimmt (siehe: Diversity Management). [1]

Etwa jeder dritte Mann und jede zweite Frau müssen damit rechnen, in ihrem Leben dement zu werden. Damit dominiert Demenz in der Pflege. Zu dieser Erkenntnis kommt der Barmer GEK Pflegereport 2010.

Zehn Thesen zur menschenwürdigen Grundversorgung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fussek formuliert als Fazit seiner Erfahrungen als erste These sieben Mindestanforderungen für eine menschenwürdige Grundversorgung, die er um weitere neun Thesen ergänzt.

Zu den sieben Mindestanforderungen gehören

  1. die Berücksichtigung der individuellen Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme des Pflegebedürftigen
  2. angemessene Unterstützung bei der Ausscheidung
  3. angemessene tägliche Körperpflege
  4. "[..] (auf Wunsch) täglich die Möglichkeit [...] an die frische Luft zu kommen."
  5. die Wahlmöglichkeit für den Pflegebedürftigen, mit wem er sein Zimmer teilt
  6. das Vorhandensein von wenigstens einem Mitarbeiter, der "die Muttersprache der Bewohner spricht"
  7. "Jeder pflegebedürftige Mensch muss die Sicherheit haben, dass ihm beim in der Todesstunde [...] jemand die Hand hält [...]"[2]

Die neun weiteren Thesen enthalten Forderungen zu Veränderungen in der Versorgungsstruktur, ohne die die zuvor genannten "Gebote" nicht umgesetzt werden können:

  1. Abschaffung der Pflegestufen und der "Minutenpflege"
  2. konsequente Anwendung der Bestimmungen
  3. Erhöhung des strafrechtlichen Druckes und Beweislastumkehr in Strafprozessen ("Wer schweigt, macht sich schuldig")
  4. Veröffentlichung der Prüfberichte des MDK
  5. Offenlegung der gesamten Finanzierung der Träger von Pflegeeinrichtungen
  6. unangemeldete Kontrollen der Heimaufsicht und des MDK, auch nachts und an Wochenenden
  7. in jeder Stadt eine unabhängige Beschwerdestelle für Angehörige und Pflegekräfte
  8. Abschaffung des "Markt"-Begriffes in Zusammenhang mit Krankheit und Pflege als börsenfähigem Produkt
  9. gefährliche Pflege, Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen müssen von den Pflegekräften selbst bekämpft werden[3] (Kopie aus PflegeWiki: Claus Fussek).

Deutschland ein Sommermärchen?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wirtschaft spricht vom XL-Aufschwung und Volkswirte feiern ein Sommermärchen. Bei den Menschen kommt nichts davon an, denn die Gewinne der Unternehmen (gerade in der Pflegebranche) regenerieren sich aus stetig sinkenden Lohnkosten, die durch Personalabbau und Dumpinglöhne bis hin zur prekären Beschäftigung erreicht werden. Die Folgen: Wer noch Arbeit hat, erkauft sich notgedrungen dieses „große Glück“ mit ständiger körperlicher und geistiger Überforderung. In den Pflegeberufen kommen dann die allgegenwärtige fehlende soziale Anerkennung der Pflegeleistung, mangelnde Aufstiegschancen am Arbeitsplatz, geringe Entscheidungsspielräume innerhalb der eigenen Arbeitsaufgabe und eben die schon genannte zunehmende schlechtere Bezahlung hinzu. Diese Umstände führen zur Krankheit. Schon jetzt leiden Pflegende unter Rückenschmerzen, Stress, Burnout und Frust.

Veränderte Kundenstruktur in Pflegeeinrichtungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht es in der alternden Gesellschaft längst nicht mehr nur um Kinderbetreuung. Immer mehr Menschen pflegen auch kranke Angehörige. In ihrem Leben ist häufig nichts mehr, wie es einmal war."[4] Irgendwann geht es im häuslichen Umfeld nicht mehr und es wird ein Pflegeplatz gebraucht. Was finden Pflegebedürftige und Familien vor?

Unsere Patienten und Bewohner werden immer älter und multimorbider, das führt dazu dass die Anzahl der Patienten/ Bewohner mit sehr eingeschränkter physiologischer Reserve ständig steigt.

Viele Betroffene verlieren die Fähigkeit, ihre Grundbedürfnisse überhaupt wahrzunehmen.

Die hohe Lebenserwartung der Bevölkerung stellt erhöhte Anforderungen an die medizinische Leistung und die geriatrische (Geriatrie) Kompetenz aller Betreuer (Ärzte, Pflege und Hilfskräfte).

Das Risiko für Komplikationen wächst mit dem Lebensalter kontinuierlich an.

Angehörige kommen mit hohen Erwartungen und einer sehr großen Rechtsempfindlichkeit in die Kliniken und Pflegeeinrichtungen.

Weil Haushalts- und Familienstrukturen sich drastisch verändern, der Pflegebedarf der älteren Generation stetig zunimmt, steigt auch die Nachfrage nach professioneller Heimpflege und ambulanter Pflegedienste. Bereits im Jahre 2010 sind in Deutschland 2,2 Millionen Menschen pflegebedürftig.

Die Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Pflegebranche beschäftigt 1,12 Millionen Mitarbeiter/innen Das sind mehr Menschen als in der Automobilindustrie, Elektroindustrie oder der Maschinenbau arbeiten. Bezogen auf die Gesamtwirtschaft sind das durchschnittlich sechs Mal mehr Erwerbstätige in der Pflegebranche. [5] Bis 2020 werden weitere 300.000 Pflegekräfte fehlen. [6] Gleichzeitig wird eine Zunahme der Pflegefälle (Pflegefall) bis zum Jahre 2050 auf 4,1 Millionen prognostiziert (Prognose). [7] Allein für die Altenpflege rechnet die Enquetekommission des Bundestags mit einem Anstieg des Personalbedarfs auf 570.000 Beschäftigte bis zum Jahr 2050.

Antwortsuche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Raffelhüschen empfiehlt eine Kombination aus besserer Bezahlung, akademischer Ausbildung, höherer sozialer Anerkennung, flexibleren und familienfreundlicheren Arbeitszeiten sowie attraktiven Fortbildungs- und gesundheitlichen Vorbeugeprogrammen. Es führt kein Weg daran vorbei, mehr Geld ins System zu bringen. Die Gesellschaft muss sich entscheiden, was gute Pflege ihr wert ist.“ [8] Die Bundeskanzlerin möchte mehr Arbeitslose in die Pflege schicken. Der Deutsche Pflegerat hat dazu handfeste Bedenken, die von vielen professionell Pflegenden geteilt werden. Andreas Westerfellhaus im ZDF-Morgenmagazin: "Mehr Wertschätzung nötig!"[9]

Familienministerin Schröder möchte den Männeranteil im Pflegeberuf erhöhen. Ein sinnvolles Anliegen, die von ihr angestrebten Maßnahmen offenbaren jedoch ein sehr zweifelhaftes Bild von den Pflegenden. Zitat: "Gerade solche aus bildungsfernen Schichten, die wegen schlechter Zeugnisse den Einstieg nicht geschafft haben" könnten im Pflegeberuf unterkommen." [10]

Pflegekräfte aus Osteuropa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mängel in der pflegerischen Versorgung bei häuslicher Pflege, insbesondere bei der häuslichen Pflege von Demenzkranken werden oft durch die Beschäftigung osteuropäischer Pflegekräfte auszugleichen versucht. Dieser Weg erscheint den Familien der Pflegebedürftigen oft als einzig finanzierbare Alternative zur stationären Pflege.

Es stellen sich jedoch viele Probleme. Es ist schwierig zu gewährleisten, dass die ausländische Pflegekraft ausreichend für die Pflege qualifiziert ist und dass sie in der Lage ist, die komplexen Anforderungen der häuslichen Situation zu bewältigen. Vielfach findet solche Pflege unter nicht legalen Bedingungen statt, etwa wenn gegen sozialversicherungsrechtliche oder steuerrechtliche Bestimmungen verstoßen wird oder wenn Mindestandards des Arbeitnehmerschutz nicht eingehalten werden. Zudem nutzen nicht seriöse Vermittler die Notlage der Familien aus.

Klarer sind die Verhältnisse, wenn die Familie von Anfang an als Arbeitgeber (mit allen Rechten und Pflichten) auftritt und eine Haushaltshilfe nicht über einen Vermittler sondern über die Bundesagentur für Arbeit engagiert. Mit Öffnung des europäischen Marktes kann nun, wer Geld von der Pflegekasse bekommt und weiterhin zu Hause leben möchte, sich von der ZAV, der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, eine osteuropäische Betreuungskraft vermitteln lassen.[11]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. PflegeWiki: Kosteneffizienz in der Intensivpflege
  2. Im Netz der Pflegemafia. Verlag C. Bertelsmann, München 2008, S. 381-382
  3. s.o., S. 382-386
  4. Am Limit: Ein Leben zwischen Pflege und Job.ttp://kma-online.de/nachrichten/pflege/id__22414___view.html
  5. Wifor-Institut der TU Darmstadt
  6. Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA)
  7. Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau.
  8. Jüttner, Paritätischer Wohlfahrtsverband
  9. http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/446#/beitrag/video/1132178/Pflegerat:-"Mehr-Wertschätzung-nötig"
  10. [1]
  11. Pflegekräfte aus Osteuropa. Wenn Pflegebedürftige zu Arbeitgebern werden: [2]

Interne Links[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]